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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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widersprechen darf, ob man ihre Anordnungen hinterher nun befolgt oder nicht. Aber das Bein hoch und runter, beugen und strecken, war ihr von Tag zu Tag lästiger gefallen, und dann hatten sich auch noch alle in den Kopf gesetzt, ihr dabei zuzusehen, los, Oma, komm schon, zehn Minuten, das ist doch nicht so viel, weshalb Dolors es dann irgendwann ganz sein ließ. Und natürlich petzte Leonor das dem Arzt, und schon hatte sie wieder den schönsten Streit im Haus.
    Die Anweisungen des Arztes zu missachten ist eine der wenigen Torheiten, die Dolors noch begehen kann, und so stapelte sie das Geschirr auf eine Seite, wobei sie den Schmerz in ihrem Bein zu ignorieren versuchte, der mit dem Aufstehen wie immer stärker wurde, steckte den Stöpsel ins Spülbecken, gab einen guten Spritzer Spülmittel hinein und ließ warmes Wasser einlaufen, um einmal mehr voll Wonne das zu beobachten, was ihr von klein auf immer gefallen hat: wie Unmengen an Schaum genau an derStelle entstehen, wo der kräftige Strahl auf die Wasseroberfläche trifft und einen Strudel bildet. Weißer Schaum, der das Fett von den Tellern löst. Schaum, der genauso wieder verschwindet, wie er entstanden ist. Was würde ihr Lieblingsphilosoph Hume wohl dazu sagen   … Beinahe wäre dann auch noch das Becken übergelaufen, gerade noch rechtzeitig drehte Dolors den Hahn ab und machte sich dann an den Abwasch. Nachdem sie zwei oder drei Teller gespült hatte, hörte sie jedoch plötzlich den Schlüssel im Schloss der Wohnungstür, und kurz darauf trat Leonor in die Küche und erwischte sie in flagranti. Was tust du da, Mama?! Das hat der Arzt dir doch verboten! Lass das, komm, lass das sein, schimpfte ihre Tochter, zog Dolors’ runzelige Hände aus dem weißen Schaum, trocknete sie ihr mit einem Küchenhandtuch und führte sie dann sanft, aber energisch ins Wohnzimmer. Was bin ich das alles leid, haderte Delors innerlich mit ihrem Schicksal, den Sessel, das Wohnzimmer, einfach alles! Wahrscheinlich hatte Leonor keine Ahnung, wie sehr sie gerade ihre Würde verletzt hatte. Aber Leonor war eben Leonor, von ihr konnte sie nichts anderes erwarten. Ach, warum ließ sie ihr nicht einmal die kleine Freude mit dem Schaum!
    Doch dann, o Wunder: Als sie dafür gesorgt hatte, dass ihre Mutter wohlbehalten im Sessel Platz genommen hatte, da machte Leonor, die blauäugige Leonor, eine überraschende Wandlung durch: Sie rüttelte Jofre wach! Dolors war wie vom Donner gerührt: Das war das erste Mal, dass Leonor Jofre weckte, wenn er auf dem Sofa schlief, so wie die Dinge zwischen den beiden lagen, kam das geradezu einem Sakrileg gleich! Was   … was ist passiert? Jofre war aus dem Schlaf hochgeschreckt, womöglich dachte er,dass ein Unglück geschehen sein musste, wenn Leonor ihn weckte. Doch dann geschah noch ein weiteres Wunder, denn ihre Tochter sagte laut und deutlich: Was passiert ist, fragst du? Meine Mutter spült, während du hier seelenruhig schnarchst; dabei weißt du genau, dass sie das nicht soll! Worauf Jofre nur stotterte: Das   … das habe ich nicht mitbekommen   … ehrlich   … ehrlich nicht.
    Wenn sie jetzt daran denkt, muss sie wieder grinsen. Nicht zu fassen, so klein mit Hut wurde da der allmächtige Jofre, sooo klein!
    »Misst du gerade mit Daumen und Zeigefinger, wie viel du noch stricken musst, bis du abketten kannst?«
    Dolors zuckt zusammen, sie hat gar nicht gemerkt, dass Leonor ins Zimmer gekommen ist. Schnell nickt sie und zeigt ihr stolz ihre Strickarbeit, bei der wirklich nicht mehr viel fehlt.
    »Ist das das Vorder- oder das Rückenteil?«
    Dolors zeigt auf ihre Brust. Es ist das Vorderteil, soll das heißen, und das versteht sogar Leonor.
    »Keine Ahnung, wie du dieses komplizierte Muster hinbekommst mit deiner zittrigen Hand   … aber der Pullover wird wirklich wunderschön.«
    Gern würde Dolors ihrer Tochter jetzt erklären, dass das Zittern sie zwar beim Schreiben, nicht aber beim Stricken behindert, doch das kann sie natürlich nicht, und deshalb gibt sie auch keinen Ton von sich, wie sie sich das vorgenommen hat, das hätte ihr nämlich gerade noch gefehlt, dass man sie nicht nur für taub, sondern auch noch für geisteskrank hielt. Und so schaut sie sie nur an, Leonor ist jedoch schon neben ihren Sessel getreten, wo sie sich jetzt auf die Zehenspitzen stellt, um einen Schlüssel in eine Doseoben auf dem Regal zu legen. Und dabei sieht Dolors ihren Bauchnabelring zum zweiten Mal.
    Das erste Mal hatte sie ihn gesehen, nachdem

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