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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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kann sie nicht begreifen. Und außerdem ist da Antoni   … das heißt, er war da, jetzt ist er irgendwohin entschwunden, weil der Schatten ihm das gesagt hat. Und der Schatten ist immer noch nicht zurückgekommen, um sie zu holen. Das alles passt irgendwie nicht zusammen, etwas fügt sich nicht ins Bild, ergibt keinen Sinn   …
    Und da plötzlich fällt es ihr wie Schuppen von den Augen: Sie liegt im Sterben. Antoni ist gar nicht wirklich da gewesen, das hat sie sich nur eingebildet. Das ist er also, der Tod. Vielleicht wartet Antoni aber wirklich auf der anderen Seite, um im Paradies auf ewig mit ihr zusammen zu sein. He, Antoni, sei dir nicht so sicher, dass ich zu den Guten komme, denk daran, ich habe mir manches geleistet, ich habe Eduard getötet und vielleicht werde ich deshalb geradewegs in die Hölle geschickt. Falls es sie gibt. Ach, Dolors, endlich wirst du erfahren, ob das Gerede der Nonnen wahr ist.
    Sie schließt die Augen, und das Letzte, was sie sieht, ist Sandras Pullover direkt vor sich. Wie schön er geworden ist. Und welch unbändige Lust sie verspürt hatte, noch einmaleinen ganzen Pullover zu stricken. Was für wundervolle Farben, dieses leuchtende Blau, das frische Grün, und nicht zu vergessen das sonnige Gelb   … Wenn sie doch bloß besser Luft bekäme.
    Zum Glück kehrt jetzt der Schatten zurück. Hallo, hier bin ich, ruft sie, du hast ganz schön lange gebraucht, deshalb bin ich zurück ins Bett. Ich habe die Geduld verloren und bin eine alte Frau, der Arzt hat gesagt, dass ich nicht lange stehen darf.
    Der Schatten entschuldigt sich: Ich habe viel zu tun. Aber jetzt lass uns gehen, sagt er dann und reicht ihr seine Hand, die vollkommen schwarz ist, und Dolors gibt ihm ihre, die ebenfalls sofort schwarz wird. Jetzt weiß sie nicht mehr genau, wo die Grenze zwischen Wirklichkeit und Trugbild liegt, aber das ist jetzt auch egal. Was wohl Freud dazu sagen würde?   … Ach, nein, das war ja Calderón de la Barca:
Flüchtiger Traum ist Menschenleben, und selbst die Träume sind ein Traum
.

Epilog
    Kannst du dich noch an den alten Pfarrer aus deinem Viertel erinnern? Er ist schon lange bettlägerig und liest längst keine Messen mehr. Deine Beerdigung wollte er aber unbedingt halten, stell dir das mal vor, man musste ihn fast mit Gewalt zurück ins Bett bringen. Für dich hätte er eine ganz besondere Grabrede, hat er immer wieder gerufen, bis sie ihn schließlich mit einer Tablette wieder etwas beruhigt hatten. Was das wohl für eine Rede gewesen sein mag? Er hat ja damals bei der Beerdigung deines   … deines Liebhabers die Totenmesse gelesen, das weiß ich noch, aber der jetzige Pfarrer hat mir erzählt, dass er auch Papa das letzte Geleit gegeben hat. Der Neue ist bestimmt noch keine dreißig, er soll angeblich dem Opus Dei angehören, aber diese Schwarzröcke predigen ohnehin alle den gleichen Kram, das sagt Jofre auch immer, ihm zufolge sind sie alle spitz, und weil sie es unterdrücken müssen, erwarten sie von uns Kirchgängern, dass wir das auch tun. Aber das ist jetzt nicht der richtige Ort, an so was zu denken, auch wenn ich zugeben muss, dass mir jedes Mal ein wohliger Schauder über den Rücken läuft, wenn mir ein Mann unter dreißig gegenübersteht. Ob das die Wechseljahre sind? Bis zu der Geschichte mit Víctor ist mir das jedenfalls nie passiert.Na ja, aber egal, die Männer sind ja sowieso alle gleich, erst umgarnen sie einen und beteuern, dass man die Frau ihres Lebens ist, und wenn sie genug haben, servieren sie einen ruck, zuck ab und suchen sich die Nächste. So eine wie Glòria zum Beispiel. Tut erst so, als wäre sie meine beste Freundin, und dann   … Sicher hat sie ihm alles brühwarm erzählt, was ich blöde Kuh ihr anvertraut habe. Dieses miese Weibsstück!   … Na, mal sehen, wie lang das geht, eine nordische Schönheit ist sie ja nun nicht gerade, und bei ihr hängt auch schon alles, meine Haut ist noch viel straffer als ihre, und das, obwohl ich um einiges älter bin als sie.
    Weißt du, Mama, mit Víctor hatte ich eine echt gute Zeit. Er war ja noch reichlich unerfahren, sodass ich ihm ein paar Stellungen zeigen konnte. Jofre und ich haben ein paar Jahre lang etliches ausprobiert. Glòria meint zwar, dass er bei mir nichts gelernt hat, das erzählt sie aber nur herum, weil sie eifersüchtig ist, dass ich ihm im Gegensatz zu ihr sehr wohl was beibringen konnte. Was war Víctor nur besessen von diesen Piercings! Es war echt unglaulich, wie sehr ihn das

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