Die Wuensche meiner Schwestern
und schaute in Pfannen und Töpfe. Sie genoss es, wie er sie sogar in der Bücherei aufsuchte, sie in dunkle Ecken hinter hohen Regalen zog und sie küsste, bis ihr ganzer Körper sich anfühlte wie eine frei schwebende Note.
Aubrey hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass ihr Leben so perfekt war, wie ein Mensch es sich nur wünschen konnte. Jeden Tag erfüllte ungläubige Dankbarkeit ihr Herz. Jeden Abend schlief sie wie von einem Seufzer getragen ein. Ihre Zauber hatten noch nie zuvor so wunderbar gewirkt. Innerhalb einer Woche waren drei Personen in die Strickerei gekommen, für die Aubrey gestrickt hatte: Alyssa Carter wollte fünf Kilo abnehmen, also hatte Aubreyihr ein Stirnband gestrickt; Leena Helsinki brauchte neue Fenster, hatte jedoch kein Geld, weshalb Aubrey ihr einen groben, grünen Halswärmer mit großen, bunten Knöpfen strickte; Susan Bjorn, die versuchte, sich einen Kundenstamm für ihren Friseursalon aufzubauen, bekam Socken – feine lila Söckchen mit muschelförmigen Mäusezähnchen am Rand und einem Spitzenmuster, das bis zu den Zehen hinunterführte. Erstaunlicherweise wirkten alle drei Zauber – und zwar in Rekordgeschwindigkeit.
Doch trotz ihrer Freude wusste Aubrey, dass das Fundament ihres Glücks brüchig war, dass sie ihre Hoffnungen auf einem Erdbebengebiet erbaut hatte. Halloween rückte unweigerlich näher, und am Tag danach würde die Abstimmung über Tappan Square erfolgen. Wenn sie verloren, würden ihre Schwestern sich womöglich wieder wie die Oktoberblätter im Wind verstreuen. Vic würde sich aller Wahrscheinlichkeit nach im Umkreis von Sleepy Hollow kein neues Haus kaufen können, da es dort kaum noch bezahlbare gab. Die Strickerei und ihre lange, jahrhundertealte Geschichte würden nach und nach in Vergessenheit geraten.
Aubrey hatte sich immer als jemand verstanden, für den die Dinge einfach das waren, was man daraus machte. Doch der anschwellende Optimismus, der ihr in den letzten Wochen Auftrieb gegeben hatte, hatte zugleich Platz für unberechenbare, entsetzliche Abstürze in Pessimismus geschaffen, die sie aufgewühlt und ängstlich zurückließen.
In der letzten Oktoberwoche wartete Aubrey gespannt auf Neuigkeiten zu dem bevorstehenden Flashmob, der Tappan Square retten sollte, aber die Telefonkette wurde noch immer nicht in Gang gebracht. Tarrytown traf unterdessen die letzten Vorbereitungen für die Parade am Halloween-Morgen: Die geschmückten Wagen der Highschool-Abschlussklasse wurden an Kleintransportergehängt. Die Trompeter der Marschkapelle schmierten ihre Instrumente mit Ventilöl ein, und die Holzbläser polierten ihre Flöten auf Hochglanz. Junge Tänzerinnen zogen ihre geisterhaften weißen Kleider und ihre Ballettschläppchen an. Die Veteranen putzten und polierten ihre Schuhe, die Freimaurer bügelten ihre Schürzen, und die Feuerwehrmänner spritzten ihre großen roten Fahrzeuge mit Wasser ab, bis sie glänzten. Halloween rückte näher. Doch die Mitglieder der Tappan Watch warteten weiter vergeblich auf Anweisungen für den Flashmob.
Freitagmorgen, zwei Tage vor Halloween, sah Aubrey auf dem Weg zur Zoohandlung, wo sie Würmer für den Igel kaufen wollte, dass ein paar Tappan-Watch-Mitglieder des Wartens überdrüssig geworden waren. Ein halbes Dutzend Menschen zog mit Plakaten, die sie wie schlaffe Segel in die Luft hielten, langsam durch den Patriot’s Park. Selbst Aubrey musste zugeben, dass sie ziemlich jämmerlich aussahen.
»Na ja, vielleicht hat Mason Boss einen Plan«, beruhigte Meggie sie, als Aubrey ihr nach ihrer Rückkehr in die Strickerei von den Demonstranten berichtete. »Vielleicht ruft er den Flashmob ja für die Devil’s Night morgen zusammen. Ich meine, das hätte doch Stil.«
»Kann sein«, erwiderte Aubrey. Doch sie hörte nur halb zu. Sie fragte sich, wie sie Mason Boss kontaktieren konnte, um ihn zu fragen, wann er vorhatte, die Telefonkette zu aktivieren. Sie dachte: Immerhin bin ich die Hüterin der Strickerei, oder etwa nicht? Sie lebte schon viel länger in Tarrytown als Mason Boss. Sie hatte das Recht, zu erfahren, was er plante.
Ihr fiel auf einmal Jeanette ein, die sich, soweit sie wusste, immer noch mit dem Anführer von Tappan Watch traf und möglicherweise mehr über sein Vorgehen wusste. Aubrey hatte ihre Freundin nun schon seit Tagen nicht zu Gesicht bekommen.
Jeanette lebte in Sleepy Hollow in einem alten Backsteingebäude über einem Waschsalon, und ihre Wohnung roch oft nach Weichspüler und Pommes
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