Die Wuensche meiner Schwestern
wieso?«
Sie zuckte die Achseln.
»Und jetzt willst du … mit mir?«
Sie nickte und zog sich das Kleid höher über die Brust. Sie wusste, dass sie viel von Vic verlangte, wenn sie ihn bat, ihr erster Mann zu sein – in ihrem Alter. Die Sache würde mit viel zu viel Bedeutung aufgeladen sein. »Es ist endlich so weit, oder?« Sie stand auf und durchquerte das Zimmer; sie brauchte ein wenig Raum. »Du hast endlich erkannt, wie sonderbar ich tatsächlich bin, und jetzt kommen dir Zweifel.«
Er stand auf und ging auf sie zu. Er strich ihr mit den Händen über den Rücken, der teilweise entblößt lag. Seine Fingerkuppen lösten Gänsehaut bei ihr aus. Ihre Beine wurden schwach. »Schreib deinen Schwestern eine SMS. Sag ihnen, dass du heute Nacht nicht nach Hause kommst.«
Als sie ihre Handtasche holen wollte, hielt Vic sie am Handgelenk fest: »Nicht jetzt.« sagte er. Dann glitt langsam ihr Kleid zu Boden.
* * *
Hinterher, es mochte Minuten oder auch Tage später sein, blickte Aubrey in die sanfte Dunkelheit von Vics Schlafzimmer, sah den einfachen Schreibtisch im goldenen Licht der Straßenlaterne, die Wände, die nach frischer Spachtelmasse rochen, den dunklen Teppich in der Mitte des Raumes. Vic hatte Arme und Beine um sie geschlungen. Er atmete ihr leise ins Ohr und hatte im Schlaf eine Hand um ihre Brust gelegt. Sie fühlte sich so leicht, dass sie womöglich aus dem Bett geschwebt wäre, hätte sein Arm nicht auf ihr gelegen.
Manchmal wird das Leben dich überraschen, hatte Mariah gesagt. Seine langsame Entwicklung, sein vorhersehbares,gewöhnliches Fortschreiten tagaus, tagein, kann plötzlich von etwas Unglaublichem unterbrochen werden. Regenbogen erscheinen als massive Tragbalken am Himmel oder als winzige Nadelstiche aus Farbe, die in einem Tropfen gefangen sind. In der Abenddämmerung über dem Tal wirkt der Mond gewaltig und furchterregend und ist dabei doch so klein, dass man ihn mit einem Daumen verdecken kann. All die überraschende Schönheit des Lebens ist nur ganz gewöhnliche Magie, sagte Mariah, wie das Leben, das aus Sternenstaub entstanden ist, wie das Wunder eines Säuglings, der seinen ersten Atemzug tut, wie die Zeit, dieser schwankende, ungewisse Raum. Die besten Geheimnisse, meinte Mariah, sind manchmal gar keine.
Aubrey spürte Vics Atem und sog ihn ein. Sie war froh, dass sie so lange gewartet hatte. Es gab keinen anderen Mann auf der Welt, dem sie diesen Moment hätte schenken wollen. Er gehörte Vic und ihr allein. Sie wusste, dass sie am nächsten Morgen noch einmal miteinander schlafen würden. Doch nun sank sie sanft und voller Vertrauen in einen traumlosen Schlaf.
* * *
Um Mitternacht war das Familienrestaurant Old Baltus, von dem jeder wusste, dass es eigentlich bloß ein Diner mit einem schicken Namen war, nahezu ausgestorben. Meggie saß in einer Sitzecke aus rotem Kunstleder vor den großen Fenstern und blickte auf die Läden von Sleepy Hollow Broadway. Sie aß von ihren mit Käse überbackenen Pommes und lauschte der Orchesterversion irgendeines Musicalstückes.
»Gute Nachrichten!« Tori ließ sich auf die gegenüberliegende Bank fallen. Sie trug das vorgeschriebene weiße Polohemd, das zu ihrer Kellnerinnenuniform gehörte und auf dem auf der Brust die Figur eines fröhlichenrunden Farmers eingestickt war. Ihre Dreads hatte sie am Hinterkopf zu einem dicken, unordentlichen Knoten hochgebunden. »Ich habe mit meiner Kollegin geredet; sie meint, es ist okay, wenn ich ein bisschen früher gehe.«
»Super«, rief Meggie. »Was verlangt sie dafür?«
»Ich werde einen Abend umsonst auf ihr zweijähriges Terrorkind aufpassen. Aber das geht schon in Ordnung.«
»Danke«, sagte Meggie.
»Ich muss nur noch ein paar Dinge erledigen, dann können wir los«, erklärte Tori.
Meggie aß den Rest ihrer Käsepommes, während Tori zurück an die Arbeit ging. Aus irgendeinem Grund war ihr schwer ums Herz. Sie hatte gedacht, es würde ihre Stimmung heben, ihren Schwestern alles zu erzählen. Doch stattdessen verspürte sie eine unbestimmte Traurigkeit, die sie nicht mehr losließ, und sie wusste nicht, weshalb.
Innerhalb von zehn Minuten war ihr Teller leer und Tori ohne Schürze und mit bis zum Kinn zugeknöpftem Mantel an ihrer Seite erschienen. »Fertig?«
Meggie griff nach ihrem Geldbeutel in der Hosentasche.
»Lass gut sein«, meinte Tori.
Sie traten hinaus auf den Parkplatz, und Tori schloss Meggie die Beifahrertür auf. Das Auto war alt und verrostet, aber es war
Weitere Kostenlose Bücher