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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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Augen aufblitzen zu sehen.
    Bitty wischte sich übers Gesicht. »Ich heule nicht.«
    Meggie lachte leise. »Ja, klar.«
    »Es ist nur …« Bitty stockte. »Eine gute Mutter zu sein ist mir sehr wichtig. Und im letzten Jahr war es nicht immer leicht, zu wissen, was richtig ist. Deshalb bedeutet es mir viel, dass du das eben gesagt hast.«
    »Kein Problem«, meinte Meggie.
    Sie sahen zu, wie Carson den Steg entlangsprintete, der vom Ufer über schmutziges, flaches Wasser hinweg bis zum Leuchtturm führte. Er setzte die Tasche ab und holte nachund nach die lange, dicke Wollschnur heraus, die vor einer Stunde in der Strickerei zusammengefügt worden war. Sie war zum Teil schlauchförmig gestrickt, zum Teil gehäkelt und zum Teil von einer der älteren Damen handgewebt, die dafür nichts als die Finger ihrer rechten Hand benutzt hatte. Wie ein Feuerwehrmann, der an seinem Wasserschlauch zerrte, zog Carson den langen Strang mit schnellen Armbewegungen aus der Tasche. Er rannte mit dem einen Ende in der Hand los, doch der ganze restliche Klumpen folgte ihm auf dem Metallgitter am Fuße des Turms.
    »Er muss das andere Ende festbinden«, flüsterte Meggie. Es war, als hätte er sie gehört, denn er eilte sogleich zurück und knotete das lose Ende um ein Stahlgerüst. In dem Augenblick, als er erneut losrannte, drehte sich der Polizist am anderen Ende des Parks um und machte sich gemächlich auf den Weg zurück zum Leuchtturm.
    »Er schafft es«, meinte Meggie. »Er hat genug Zeit. Zumindest wird er es auf die andere Seite schaffen, wo ihn der Polizist nicht sehen kann.«
    »O mein Gott, wir kommen alle ins Gefängnis«, stöhnte Bitty.
    »Nein, das wird nicht passieren. Es wird alles gutgehen. Wir – « Meggie blieben die beruhigenden Worte im Hals stecken, denn nun verknäulte sich die Wolle, die achtlos in die Tasche gestopft worden war, zu einem dicken, unordentlichen Knoten. Carson zog einmal daran. Und noch einmal. Er blickte in Richtung des Polizisten, der sich, immer noch wie ein gelangweiltes Kind mit den Armen schlenkernd, dem Leuchtturm näherte.
    »Ablenkungsmanöver«, presste Bitty hervor. »Meggie, lenk ihn ab. Er wird Carson erwischen.«
    »Nein, warte«, sagte Meggie.
    »Wenn du es nicht tust, werde ich es tun.«
    Bitty wollte aufstehen, aber Meggie hielt sie fest. »Warte«, zischte sie. »Warte!«
    Bitty versuchte, sie abzuschütteln, doch dann sah sie, dass es Carson gelungen war, den Knoten fester zu ziehen, so dass er wieder freie Schnur zur Verfügung hatte. Er lief damit um den Leuchtturm herum und verschwand hinter der weißen Rundung. Das sprungseilähnliche Wackeln der Wolle bei jeder seiner Bewegungen war das einzige Anzeichen dafür, dass sich jemand auf dem Steg befand.
    Der Polizist war am Fuß des Leuchtturms angelangt. Es war ein junger Mann – das erkannte Meggie an seiner Haltung mit angespannten Schultern und gebeugten Armen, als würde er zwei Zwanzig-Liter-Eimer schleppen –, und er blickte in der Dunkelheit auf genau die Stelle, an der Carson eben noch gestanden hatte. Er knipste seine Taschenlampe an und ließ ihr gelbweißes Auge über den Senkkasten und den hohen weißen Turm wandern.
    Bitty begann zu rufen: »Hey – «, doch Meggie presste ihr eine Hand auf den Mund. Carson war ein schlauer Junge. Sie vertraute ihm voll und ganz. Komm schon, dachte sie. Komm schon.
    In Schockstarre beobachtete sie, wie der Polizist den Steg zum Leuchtturm hinaufging. Er bückte sich und zupfte an der Wollschnur. An der gegenüberliegenden Wand streckte Carson seinen Kopf um die Rundung des Leuchtturms. Er wandte seinen Blick in Richtung Unterholz, aber Meggie wusste, dass er sie im Dunkeln nicht sehen konnte. Auch wenn es zwecklos war, ihn mit Gesten warnen zu wollen, zeigte Meggie dennoch verzweifelt mit dem Finger auf die Stelle, an der der Polizist auf der anderen Seite des Leuchtturms stand, nur ein paar Schritte von Carson entfernt.
    Der Polizist begann der von Carson gerade ausgelegten Wollspur zu folgen, gebeugt wie Sherlock Holmes über seine Lupe, und ließ die Fasern durch die Finger gleiten. Er trug schwere Lederstiefel, und seine Schritte auf dem Stahl hallten laut und unheimlich.
    Meggie merkte, dass sie und Bitty sich aneinander festhielten. Der Polizist ging im Kreis, seine Schuhe machten: Ping, ping, ping. Carson setzte sich mit dem Geräusch zusammen in Bewegung. Er gab acht, immer auf der dem Polizisten gegenüberliegenden Seite des Turms zu bleiben, und so umkreisten sie

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