Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
Vom Netzwerk:
lavendelfarbenen Röcken und ihrem indischen Baumwollhemd mit den weiten, engelsflügelartigen Ärmeln, mit dem taubengrauen Haar, das sich über ihre Schultern wellte, hinten im Zimmer stand und lächelte – dieses freundliche,vollkommene Lächeln, das Aubrey stets unmissverständlich gesagt hatte: Ich liebe dich, und du bist perfekt, so wie du bist. Als Aubrey die Augen wieder aufschlug, um sich an die in der Strickerei versammelte Menge zu wenden, hätte sie schwören können, dass Mariah wirklich am anderen Ende des Zimmers stand und ihr wie so viele Male zuvor aufmunternd zunickte. Sie dachte: Ich schaffe das. Dann öffnete sie den Mund und sprach zu mehr Menschen auf einmal, als sie es je in ihrem Leben getan hatte.
    »Manche von euch fragen sich vielleicht, weshalb wir euch alle heute Abend hier versammelt haben. Ihr wisst, was man über verzweifelte Situationen sagt? Nun, heute Abend möchte ich euch bitten, alles zu vergessen, was ihr über die Strickerei gehört habt und was ihr darüber denkt, wie die Welt funktioniert, und – nur vorübergehend – alles, was ich sagen werde, unabhängig davon zu betrachten. Morgen könnt ihr euch darüber Gedanken machen und alles hinterfragen. Aber für den Moment müsst ihr eure Zweifel ausschalten. Versucht es. Und vielleicht können wir so gemeinsam etwas Unglaubliches geschehen lassen.«
    Nach und nach beruhigten sich Aubreys Nerven. Sie spürte wieder ihre Füße, die sie fest wie Baumwurzeln aufrecht hielten. Sie sprach über die Zauber, die Mariah sie zu stricken gelehrt hatte, und erteilte die Anweisung, dass Strickanfängerinnen sich mit erfahrenen Strickerinnen zusammentun sollten. Doch sie erklärte auch, dass es letztlich nicht wichtig war, was und ob sie überhaupt strickten. Sie konnten auch einfach Knoten binden, Zöpfe flechten, häkeln – alles würde gehen, sagte Aubrey. Wichtig war das Wesen des Zaubers, die Vision oder Energie oder Vorstellung, die von dem, was die Frauen schufen, aufgesaugt wurde.
    Natürlich improvisierte sie. Nichts Vergleichbares, kein Zauber dieser Größe und Komplexität war je versucht worden, seit ihre Vorgängerinnen begonnen hatten,ihr Wirken im »Großen Buch im Flur« festzuhalten. Ein paar Dinge schienen für die Magie jedoch grundlegend zu sein – das Opfer, das Gleichgewicht, die aufrechterhaltene Vision –, und sie ging davon aus, dass eigentlich jeder Zauber in jeder Größenordnung funktionieren müsste, solange sie sich an diese Grundsätze hielt. Während ihrer Ansprache wurde ihr bewusst, wie einfach eigentlich die Magie war, wenn man sich auf das Wesentliche konzentrierte. Sie fragte sich insgeheim, ob die Hüterinnen der Strickerei es nicht die ganze Zeit über falsch angegangen waren, ob sie die Sache zu kompliziert und exklusiv gemacht hatten, indem sie das Stricken von Zaubern auf sich selbst beschränkten und aus der Magie eine so komplizierte Geschichte machten. Sie richtete den Blick auf den hinteren Teil des Zimmers, wo sie hoffte, noch einmal Mariahs Gesicht zu erkennen, doch ihre Tante schien ihren Zweck erfüllt zu haben und war verschwunden.
    »Ich kann nicht versprechen, dass es funktionieren wird«, fuhr Aubrey mit einer Stimme fort, die stärker und mutiger und besser klang als ihre eigene. »Auf Magie gibt es keine Garantie. Was aber mit Sicherheit feststeht, ist, dass nächstes Jahr um diese Zeit die Strickerei und Tappan Square nicht mehr da sein werden, wenn wir nicht irgendetwas tun. Sind wir so weit?«
    Die Frauen von Tarrytown antworteten mit entschlossenem und vielsagendem Nicken.
    »Dann beeilen wir uns«, schloss sie.
    * * *
    Die Idee, die Aubrey Meggie ein paar Stunden zuvor erklärt hatte, bestand darin, ganz Tarrytown in einen Strickzauber zu hüllen, so wie Mariah eine Person in einen Pullover, einen Schal oder ein Schultertuch hüllte. Wenn sieGlück hatten, würde der Zauber auf die Stadt genauso wirken, wie er auf einen Menschen wirkte – würde einen leisen, aber anhaltenden Einfluss ausüben. Und während Bitty die Aufgabe übernommen hatte, Tarrytowns Frauen am Telefon zu überzeugen, in der Strickerei aufzutauchen, und Aubrey die Leitung der Strickaktion übernahm, fiel es Meggie zu, den letzten Teil des Zaubers durchzuführen – den sie als eine Art gutwilligen Vandalismus verstand. Das war genau ihr Ding.
    Sie stand gemeinsam mit Bitty, Carson und ein paar der jüngeren Frauen, die hauptsächlich erschienen waren, um etwas Aufregendes zu erleben, im Garten der

Weitere Kostenlose Bücher