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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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früher Pferde angebunden wurden, von einem wirren Durcheinander aus Wolle umhüllt war. Für einen Augenblick schien das Gebilde zu erstrahlen, wie ein farbenprächtiger Obelisk, über den er sich in einem ersten Impuls lachend freute. Aber dann fiel ihm die Strickerei ein und alles, was seine Mutter ihm darüber erzählt hatte, und das Lachen blieb ihm im Halse stecken. Er dachte an Tappan Square.
    Er zerrte den überdimensionalen Socken – oder was auch immer es darstellen sollte – mühsam herunter und warf ihn in die Mülltonne seines Nachbarn. Als er wieder ins Haus trat, erwähnte er seiner Frau gegenüber nicht, was er entdeckt hatte, da er wusste, dass sie versuchen würde, ihn zu beruhigen. Stattdessen dankte er ihr für die Krawatte.
    Nach und nach verbreiteten sich Theorien über das Strickzeug unter den Menschen, die nichts von der Strickerei wussten. Blogger fotografierten die Kürbisse vor der Kindertagesstätte, denen jemand wollene Mützen aufgezogen hatte. Das lokale Online-Nachrichtenmagazin berichtete über die mysteriösen Ausstellungsstücke, die sich auf dem schmalen Grat zwischen Vandalismus und Kunst bewegten. Viele Menschen entlang der Paradestrecke waren sich einig, dass sie ein gutes Omen waren. Gutmütige Albernheiten. Eine freundliche Neckerei.
    Doch die Mitglieder von Tarrytowns Oberschicht – die sich weigerten, die Verzierung der Stadt auch nur zur Kenntnis zu nehmen, und die schon immer davon überzeugt gewesen waren, die Van Rippers würden früher oder später Tarrytowns Untergang sein – standen im Halloween-Sonnenschein am Rand der von ihnen organisierten Parade, umklammerten ihre Becher mit heißem Apfelwein und lächelten mit so viel Nachdruck, dass die vorbeiziehenden Kinder von dem Weiß ihrer Zähne geblendet wurden – während sie sich sehnlichst das Ende von Tappan Square herbeiwünschten.
    * * *
    »Ich kann kaum glauben, dass sie uns nicht erwischt haben«, sagte Meggie.
    Bitty blickte von ihrem Frühstück auf, das aus köstlichen zuckrigen Getreideflocken bestand, die sie in all den Jahren des Kalorienzählens nicht gegessen hatte. Auch wenn sie jeden Grund hatte, erschöpft zu sein, hatte sie nicht schlafen können. Als es eine Stunde zuvor langsam hell wurde, hatte sie ihre Kinder ins Bett gebracht. Carson schien das Bewusstsein zu verlieren, noch bevor sein Kopf auf das Kissen gesunken war. Nessa hatte irgendetwas über das Stricken von Schatten gemurmelt, bevor sieeingeschlummert war. Aubrey war noch vor der Morgendämmerung verschwunden, etwa zur selben Zeit, als alle Wolle aufgebraucht und verteilt war – vermutlich, um sich von der Zauberei zu erholen. Aus der Strickstube war jeder Strang Wolle, jede Docke, jeder Faden und jedes Knäuel verschwunden.
    »Vielleicht sollte ich mich mal in der Stadt umschauen und sehen, was los ist«, meinte Meggie.
    Bitty füllte sich noch mehr Frühstücksflocken in ihre Schüssel. »Wir haben doch beschlossen, die Dinge ihren Lauf nehmen zu lassen, weißt du noch?«
    »Willst du denn gar nicht wissen, was die Leute sagen?«
    »Natürlich will ich das«, erwiderte Bitty. »Aber es geschieht, was eben geschieht, ob wir etwas davon mitbekommen oder nicht.«
    »Na schön«, seufzte Meggie. »Hast ja recht.«
    »Weißt du, ich denke, es wird klappen«, erklärte Bitty.
    »Ehrlich?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Aber du glaubst doch nicht an Magie.«
    »Das stimmt«, bestätigte Bitty. »Aber ich glaube an die Macht der Symbolik. Aus vollem Herzen. Und ich denke, was wir der ganzen Stadt letzte Nacht gezeigt haben, war ein mächtiges Symbol des Protests und ein starkes Zeichen dafür, wie wichtig Tappan Square für den Stoff ist, aus dem Tarrytown gewebt ist.«
    »Für den Stoff, aus dem Tarrytown gewebt ist? War das ein absichtliches Wortspiel?«
    Bitty lächelte. »Ich fand immer schon, ich würde eine gute Anwältin abgeben.«
    »Das würdest du wirklich«, erwiderte Meggie.
    Bitty lachte.
    »Nein, das meine ich ganz im Ernst.«
    Bitty nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. Sie konnte durchs Fenster der Strickerei sehen, wie der Flusslangsam vorüberzog. In all den Jahren, in denen sie mit Craig zusammengelebt hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, allein zu sein – als würde sie ihre Kinder allein großziehen. Sie hatte nie einen Moment Zeit gefunden, an sich selbst zu denken. Doch nun, da sie sich wieder hinter den Mauern der Strickerei befand und ihre Schwestern an ihrer Seite wusste, die bereit waren, sie und ihre Kinder mit

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