Die Wuensche meiner Schwestern
Strickerei, außer Sichtweite der Polizeiautos. Ein kalter Wind blies von Norden her, und die Nacht war kristallklar, der Himmel pechschwarz. Mit messerscharfer Effizienz organisierte Meggie die Aktion und teilte sie in kleine, bewegliche Teams aus zwei bis drei Personen ein. Mit ihren schwarzen Handschuhen, Mützen und Trainingshosen über der Jeans sahen sie nicht gerade aus wie Navy Seals. Ihre Kleidung war massig und unförmig, und ihr bierernstes Schweigen wurde immer wieder von unkontrollierbaren Kicheranfällen unterbrochen. Aber es musste genügen.
»Ihr beiden nehmt euch die Urnen vor der Bücherei vor. Ihr beiden geht zur Music Hall. Ihr drei macht euch auf den Weg in den Patriot’s Park. Und ihr versucht es bei den Schaukeln vor der Washington-Irving-Mittelschule. Wenn ihr fertig seid, kommt ihr hierher zurück und wartet auf weitere Anweisungen. Wir werden in mehreren Etappen aufbrechen, ein Projekt nach dem anderen, bis unsere Wolle über die ganze Stadt verteilt sein wird.«
»Aber was, wenn wir erwischt werden?«, fragte eine der Frauen.
Meggie holte tief Luft. »Das Risiko gehen wir alle ein, Soldatin. Wenn ihr geschnappt werdet, ist es nur wichtig,dass ihr der Polizei kein Wort über die ganze Sache sagt. Auch nicht, wenn sie euch eine Nacht im Gefängnis androhen. Nicht einmal, wenn sie euch mit der Bastonade drohen.«
»Was ist eine Bastonade?«, fragte Carson.
»Nichts, was dir gefallen würde«, erwiderte Meggie. »Wenn ihr gefasst werdet, seid ihr auf euch gestellt. Niemand kommt, um euch zu retten. Verstanden?«
Die kleine Truppe nickte.
»Gut. Dann speichert alle meine Handynummer ab – aber stellt eure Telefone auf lautlos. Kapiert?«
Nach zustimmendem Gemurmel schickte Meggie alle hinaus in die Dunkelheit. Sie brachen in derselben ausgelassenen und aufgeregten Stimmung auf, die Meggie noch von den Abenden kannte, an denen sie mit ihren Schwestern in den Schatten Tarrytowns Verbrecherjagd gespielt hatte. Bitty und Carson verharrten bei ihr.
»Was ist mit uns?«, fragte Carson.
Meggie blickte zu ihm hinunter. »Wir bleiben zusammen, Knickerbocker.«
Bitty schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, was ich hier tue.«
»Uns bleibt keine Zeit für Zweifel«, sagte Meggie. »Wir müssen los.«
Sie stiegen in Bittys Minivan. Auf ihrer Fahrt durch Tarrytown kamen sie an drei Polizeiwagen vorbei, deren Scheinwerfer in schattige Ecken und auf Bäume leuchteten. Tarrytowns Halloween-Dekoration starrte sie im Vorbeifahren an: Werwölfe mit blutigen Klauen, Zombies, die mit Würmern übersäte abgetrennte Köpfe auf Tabletts trugen, Zwei-Meter-Spinnen mit leuchtenden roten Augen und natürlich Kopflose Reiter, die dunkel und bedrohlich auf ihren enormen Rössern saßen. Meggie dachte, dass der Zeitpunkt für ihr Abenteuer denkbar schlecht gewählt war. In jeder anderen Nacht des Jahres hätten sieungestört ihre Wolle über ganz Tarrytown ausbreiten können. Aber weil morgen Halloween war und Tarrytowns Gesetzeshüter damit beauftragt worden waren, Dummheiten in der Devil’s Night zu verhindern, mussten sie besonders vorsichtig sein.
»Soll ich zum Park fahren?«, fragte Bitty.
»Nein. Du kannst hier einfach irgendwo parken, dann laufen wir runter. Wir fallen weniger auf, wenn unser Auto nicht direkt auf dem Parkplatz steht.«
Bitty holte tief Luft, hielt jedoch den darauffolgenden Seufzer zurück. Sie parkte zwischen zwei Autos am Straßenrand, und die drei kletterten rasch aus dem Wagen. Bitty ging auf die schmale gepflasterte Straße zu, die sich in Kurven zum Flussufer hinunterschlängelte.
»Nein, nicht da entlang«, rief Meggie. »Wir dürfen nicht die Hauptwege benutzen. Wir müssen durch die Büsche.«
»Aber da gibt es Zäune, und alles ist voller Gestrüpp«, wandte Bitty ein.
»Und Schlangen«, fügte Carson hinzu.
Meggie sah die beiden streng an. Sie rückte sich die Tasche mit der Wolle auf der Schulter zurecht. »Ihr könnt jetzt nicht den Schwanz einziehen, Leute. Steht ihr nun hinter mir oder nicht?«
Carson warf seiner Mutter einen Blick zu. »Wir stehen hinter dir.«
»Dann lasst uns gehen.«
Meggie führte sie durchs Unterholz. Alle waren sich einig gewesen – der Leuchtturm war eines der Hauptziele für ihren Zauber. Er stand schon seit über hundert Jahren vor Tarrytowns Küste im Wasser des Hudson. Meggie hatte das logisch nicht erklärbare Gefühl, dass sie vielleicht auch im Rest der Stadt eine Chance hätten, wenn sie den Leuchtturm dazu
Weitere Kostenlose Bücher