Die Wuensche meiner Schwestern
Mondlicht über die Hügel, das drohend aufragende Silo und die steilen Schieferdächer, und Aubrey schlug das Herz bis zum Hals.
»Zu viel des Guten?«, fragte er.
Sie ließ den Blick vom Mond über dem Steinsilo auf sein Gesicht wandern. »Willst du mir den Kopf verdrehen?«
»Ja.«
»Dann ist es nicht zu viel«, erwiderte sie.
Das Restaurant im Haus war wunderschön, schlichtund schwach erleuchtet. Winzige orange und grüngelbe Kürbisse lagen auf den Anrichten. Kerzen flackerten im Luftstrom. An ihrem Tisch faltete Vic die Hände; es waren Hände, die von harter Arbeit zeugten, von Schmutz und Fett, so tief eingedrungen, dass man sie auch mit noch so viel Seife nicht herausbekam. Es war ein Schock, diese Hände vor dem gebleichten Weiß der Tischdecke zu sehen, aber da er sich nicht unwohl zu fühlen schien, tat sie es auch nicht.
Sie redeten – nicht über Tappan Square, Enteignungsrechte und die Möglichkeit, dass sie ihre Häuser verlieren könnten. Stattdessen sprachen sie über die kleinen Dinge: Haustiere aus ihrer Kindheit, Lieblingsbücher und ob sie Kaffee oder Tee bevorzugten. Und sie aßen. Aubrey bekam ein Ei, von dem sie schwor, dass es aus purem Sonnenschein bestand. Steckrüben, die nach Gras und Regen schmeckten, wenn sie die Augen schloss. Vic hatte eine Flasche Sekt bestellt, und Aubrey trank, bis ihre Gedanken begannen, in ihrem Kopf umherzuwirbeln und fröhlich hervorzusprudeln.
Zum ersten Mal in ihrem Leben verlief ein Date perfekt. Noch vor einer Woche hatte sie Vic kaum gekannt – und doch war es genug gewesen, um Neugier und Wünsche in ihr zu wecken. Aber nun, mit jedem verstreichenden Augenblick, in dem ihr Zusammensein romantischer und vertrauter wurde, erkannte sie, dass das Versprechen, das sich in ihm erfüllte, viel besser war, als sie es sich hätte träumen lassen. Sie ließ nicht zu, dass sich düstere Gedanken in ihr Gehirn schlichen; sie dachte nicht an die Strickerei, die es bislang noch immer geschafft hatte, sich zum einzigen und ausschließlichen Lebensinhalt vergangener Hüterinnen zu machen. Sie dachte auch nicht an ihre früheren romantischen Fehlschläge. Dieser Abend war wie verzaubert, sorgenfrei, unendlich und voller Möglichkeiten, die alle gut waren. Sie fragte sich, ob es wohlzu früh war, daran zu denken, was ihr in ihrem Leben vor diesem Abend mit ihm alles gefehlt hatte.
Vic schien ähnlich zu empfinden; er stützte seine Wange gegen seine Faust und sah sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen an. »Wann strickst du etwas für mich?«
»Oh. Brauchst du einen Zauber?«, fragte Aubrey.
»Ich möchte keinen Zauber. Ich möchte etwas von dir haben. Du kannst doch auch Dinge ohne Zauber stricken, oder?«
»Das ist immer so die Frage. Eine Strickerin hinterlässt in jedem ihrer Werke einen Teil ihrer selbst.«
»Für mich hat noch nie jemand etwas gestrickt«, bemerkte er.
»Noch nie?«
»Nicht seit meiner Kindheit, und damals wusste ich noch nicht genug, um es schätzen zu können.«
»Hast du keine Angst, ich könnte einen Zauber hineinstricken, ohne es dir zu sagen? Vielleicht einen, der das plötzliche Bedürfnis in dir auslöst, die Strickerei neu zu streichen. Oder einen Liebeszauber …?« Sie wurde rot; sie hatte offensichtlich zu viel Sekt getrunken.
»Ich vertraue dir«, erwiderte er. »Wenn du willst, dass ich die Strickerei streiche, brauchst du mich nur zu fragen. Und wenn du einen Liebeszauber stricken willst, dann … na, ich schätze, dann müsste ich mich wohl fügen.«
Sie lächelte in sich hinein und hielt den Blick mit gemischten Gefühlen auf ihren Teller gesenkt. Sie musste zu lange geschwiegen haben, denn als er das Wort ergriff, klang er entschuldigend und verlegen.
»Du hast recht«, sagte er. »Tut mir leid. Etwas für jemanden zu stricken ist wahrscheinlich eine ziemlich persönliche Angelegenheit, und ich hätte nicht darum bitten sollen.«
»Nein, das ist es nicht!«, erwiderte sie. »Es gibt da nur dieses Gerücht über einen Fluch. Na ja, es ist kein richtigerFluch. Keiner, der etwas mit der Strickerei zu tun hat. Aber da ist diese Sache … Man nennt es auch den ›Fluch des Beziehungspullovers‹.«
Er lachte. »Klingt wie ein billiger Horrorfilm.«
»Es heißt, wenn man einem neuen, ähm … Partner einen Pullover oder etwas Ähnliches strickt, ist das der Anfang vom Ende. Sozusagen Murphys Gesetz des Strickens.«
»Also sollte ich froh sein, dass du nichts für mich stricken willst.«
»Ich hätte
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