Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
Vom Netzwerk:
nur leid, dass ich so lange gebraucht habe, um das zu begreifen.
    Okay, mir bleibt nur noch eine Sache zu sagen: Gestern Abend habe ich Craigs Gesicht beobachtet, als ich auf ihn einredete, während er den Schal in der Hand hielt, und ich habe gesehen, wie sein Ärger verflog und er sich langsam beruhigte. Aubrey, es tut mir leid. Ich habe es tatsächlich kurz für Magie gehalten. Für einen Augenblick habe ich daran geglaubt. Das eigenartige blaue Licht hat mich fast überzeugt.
    Während ich mitten in der Nacht diese Zeilen schreibe, parkt ein Wagen des Energieunternehmens vor der Strickerei; ich schätze, dass ein Transformator durchgebrannt ist. Und nun, da ich wieder klarer denken kann, glaube ich eher, dass Craigs Sinneswandel zustande kam, weil ich ihm versichert habe, dass alles gut sei, dass er überreagiere, dass die Kinder und ich bald wieder nach Hause kämen und dass er so lange seine »Freiheit« genießen solle. Es war ganz normal und erklärlich, dass daraufhin die Vernunft wieder bei ihm einkehrte.
    Sollte ich je einen Beweis für die Magie der Strickerei sehen, würde ich auf der Stelle daran glauben. Aber ich bin jetzt zweiunddreißig und habe noch nichts Überzeugendes zu Gesicht bekommen, also rechne ich nicht mehr damit. Aber nur, weil ich das, was in der Strickerei vor sich geht, nicht begreife, heißt es noch lange nicht, dass es diese Sache nicht gibt, das gebe ich gern zu. Aber ich drücke mich nicht richtig aus. Gott, es ist so schwierig. Ich will sagen, dass vielleicht wirklich eine Van Ripper in die Strickerei gehört. Und vielleicht gehört die Strickerei nach Tappan Square. Und vielleicht gehört Tappan Square nach Tarrytown. Selbst wenn ich es nicht tue.
    Ich glaube, das war alles. Ich werde nun einen langen Lauf machen.
    Eure Euch liebende, unvollkommene, erschöpfte Schwester
    Bitty
    Nachdem Meggie den Brief ihrer Schwester gelesen hatte, blieb ihr keine Zeit mehr, mit Aubrey darüber zu sprechen– was gut war, da sie ohnehin nicht darüber sprechen wollte. Aubrey warf einen Blick auf die Uhr und prustete beinahe ihren Kaffee aus der Nase, als sie sah, wie lange sie geschlafen hatte. Dann jagte sie wie ein Tornado durchs Haus, um sich für ihre Schicht in der Bibliothek fertigzumachen. Meggie bemühte sich nicht erst, Aubrey darauf hinzuweisen, dass sie ihren Pullover falsch herum trug und ihre Socken nicht zusammenpassten. Sie nahm an, es war nicht das erste Mal, dass ihre Schwester so aus dem Haus ging.
    Nun, da Aubrey fort war, war Meggie allein … allein mit Bittys Geständnis. Finster blickte es sie vom Küchentisch aus an. Um den Brief nicht in Stücke zu zerreißen, warf Meggie rasch ein paar Kleidungsstücke über und ging auf die Straße. Sie war wütend und niedergeschlagen und hatte das Gefühl, sie müsste gleich platzen, wusste aber nicht, weshalb.
    Sie stellte fest, dass sie sich für den kühlen Nachmittag zu dünn angezogen hatte, ging aber nicht zurück in die Strickerei, um ihre Jacke zu holen. Die Umgebung schien ihr so beengt wie immer. Da es keine Garagen oder Auffahrten gab, mussten alle Autobesitzer von Tappan Square auf der Straße parken, die viel zu schmal dafür war. Wären die engen Durchfahrten menschliche Arterien und so vollgestopft mit Cholesterin wie die Straßen mit Verkehr, hätte Tarrytown längst einen Schlaganfall erlitten.
    Sie steckte ihre kalten Hände in die Hosentaschen und lief schneller. Ihr Atem stieg in kleinen Wölkchen auf. Sie hatte das Gefühl, ein Seil schnüre ihr ihre Brust zu. Warum war sie nur so mürrisch? Beim Aufstehen hatte sie noch bessere Laune gehabt. Es hatte wohl damit zu tun, wie Bitty ihnen ihr Herz ausgeschüttet hatte. Bitty hatte all die schweren Steine der Mühsal ihres Lebens von sich gewälzt, und Meggie kam es vor, als ob diese sich nun auf ihrer eigenen Brust stapelten.
    Bitty sprach so gut wie nie über ihre Probleme – entweder, weil alle denken sollten, dass ihr Leben perfekt sei, oder weil sie niemandem Sorgen bereiten wollte. Meggie konnte also nicht einmal behaupten, dass ihre Schwester jammerte oder herumheulte oder sich in nervigem Selbstmitleid suhlte. Doch obwohl sich Bitty niemals laut über ihre Ehe beschwert hatte, bis ihre Schwestern endlich aus ihr herausquetschten, was los war, drang der Pesthauch ihres Dramas in jede Ritze und Spalte, zog in alle Ecken, verdrängte die Luft zum Atmen und verdeckte die gottverdammte Sonne. Und Meggie wünschte sich, ihren Schwestern nur einmal gestehen zu

Weitere Kostenlose Bücher