Die Wuensche meiner Schwestern
einen klitzekleinen Zauber bitte, damit ich, sagen wir, auch nur ein Zehntel deines Glücks empfinden kann. Willst du mir das allen Ernstes versagen?«
Aubrey hob ein schweres Buch auf. Sie dachte an Vic, und das allein genügte, um sie wieder rundum glücklich zu machen.
»Bitte?«, flüsterte Jeanette halb. »Schau! Ich habe sogar schon meine Opfergabe mitgebracht.« Sie griff in ihre Handtasche mit dem Tarnfarbenmuster und zog eine Teetasse hervor. »Die habe ich mir in der vierten Klasse von meinem eigenen Geld gekauft, das ich beim Ausführen des Nachbarhunds verdient habe.«
Aubrey machte keine Anstalten, die Tasse zu nehmen.
»Aubrey, ich mag ihn wirklich«, sagte Jeanette.
Im Grunde ohne Zustimmung ihres Verstandes, folgte Aubrey allein der Erfahrung ihres Instinkts, ihrer DNA und der Tradition, und hatte dabei, wie so oft, wenn sie in ihre Rolle als Hüterin der Strickerei schlüpfte, das Gefühl, sich außerhalb ihres Körpers zu befinden. Sie blickte auf die Tasse in Jeanettes Hand. »Das wird nicht reichen.«
Eine Sekunde verstrich. »Du hast recht. Weißt du was? Du hast sogar absolut recht.« Jeanette hielt die Teetasse mit einer Hand fest, streifte mit der anderen den Henkel ihrer Tasche von der Schulter und warf diese Aubrey entgegen.
»Was hast du – «
»Nimm sie. Nimm das ganze Ding.«
Aubrey blickte auf die klimpernde Tasche in ihren Händen. »Und wenn da etwas Wichtiges drin ist? Was ist mit deinem Führerschein? Deinen Kreditkarten?«
»Ich weiß nicht, was da alles drin ist. Aber ich fühle mich ziemlich unwohl dabei, sie dir zu geben. Also nehme ich mal an, dass sie für einen Zauber ausreichen dürfte.«
»Jeanette – «
»Bitte, Aub.« Jeanette hatte die Augen weit aufgerissen. Sie flehte, und sie hätte bald genug davon. »Bitte?«
»Das ist völlig verrückt«, stellte Aubrey fest, doch sie wussten beide, dass sie längst nachgegeben hatte.
»Du bist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen – das ist dir klar, oder?«, erwiderte Jeanette. Sie entfernte sich bereits durch den Gang, trat lächelnd Schritt für Schritt rückwärts. »Ach, und könntest du mich nachher zum Treffen mitnehmen?«
»Wieso?«
»Ich habe meine Autoschlüssel verloren«, erklärte Jeanette und zeigte auf die Tasche in Aubreys Händen.
* * *
Wenn die Versammlung, die Mason Boss gewählt hatte, groß gewesen war, dann war die Menge, die zu seiner ersten offiziellen Versammlung zusammenkam, enorm. Fünfzehn Minuten vor Beginn des Treffens wurde der letzte freie Stuhl auseinandergeklappt und besetzt. Immer mehr Menschen strömten herein und drängten sich Schulter an Schulter, und Aubrey musste sich hin und her schiebenlassen, um nicht umzufallen. Die Enge – die wenig vertrauten Gerüche fremder Leute Shampoo und Achselhöhlen, ihre Atemgeräusche und der Druck undefinierbarer Körperteile – hätte ihr zu schaffen machen sollen. Doch stattdessen hob sich ihre Stimmung. Menschen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, stellten sich untereinander und sogar ihr vor. Aubrey schlug das Herz bis zum Hals. Sie antwortete: »Schön, Sie kennenzulernen.« Und falls die Leute wussten, dass sie das Mädchen aus der Strickerei war, falls ihre fürchterlichen Augen hinter der Sonnenbrille ihnen einen Schreck einjagten, dann erwähnten sie es nicht. Neben ihr knetete Jeanette ihre Finger und streckte ihren langen Hals, um über die Köpfe blicken zu können.
»Siehst du ihn?«, fragte Aubrey.
»Noch nicht.«
Die Menge geriet wieder in Bewegung, und Aubrey wurde gegen Vic gedrängt, der sich gegen die Holztäfelung gelehnt hatte. Ihr Haar war hochgesteckt, und sie spürte seinen Atem im Nacken. »Oh! Tut mir leid!«, sagte sie. Vic packte sie an Oberarm und Hüfte, und als er sie nicht gleich wieder losließ, war ihr Stand noch wackliger als zuvor.
Aubrey verharrte in dieser Position und tat so, als würde sie nach Mason Boss Ausschau halten, obwohl sie eigentlich nichts außer Vics Hände wahrnahm, bis endlich – nachdem die Leute schon zu murren begonnen hatten und ihnen die Füße langsam weh taten – Mason Boss durch die Tür der Feuerwache gerauscht kam. Jeanette suchte für einen Moment Aubreys Blick, ihre Brauen hoffnungsvoll hochgezogen und ihre Lippen zu einer Art breitem Rechteck verzerrt, während sie das Wort bitte formten. Sie hielt die Pulswärmer, die Aubrey ihr mitgebracht hatte, in den Händen. Aubrey ignorierte das Stechen in ihrer Magengrube und nickte Jeanette ermutigend zu.
Während Mason
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