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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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soeben zu spüren bekommen hatte, wusste sie, dass sie lediglich einen flüchtigen Blick durch ein Schlüsselloch geworfen hatte und längst noch nicht in die eigentliche Kammer eingetreten war. Die Frage war: Was hatte das alles zu bedeuten?
    Sie hörte ihre Schwestern wieder reden; anscheinend war sie erneut weggetreten. Sie vernahm die Anspannung in Bittys Stimme und Meggies Erwiderungen: sanfte, eindringliche Fragen voller Sorge.
    Bitty seufzte tief. »Ich verspreche, dass ich euch alles erzählen werde. Aber ich bin gerade total erschöpft. Können wir also morgen früh darüber reden?«
    »Aber nur, weil Aubrey umgekippt ist«, erklärte Meggie.
    Aubrey konnte ihnen nicht mehr folgen. Sie schlief ein, war vielleicht längst eingeschlafen. Bitty und Meggie waren nun wie viktorianische Vampire verkleidet und unterhielten sich über einer Tasse Tee. In der Strickstube hatte sich eine Menge versammelt, die Umhänge für Stoppschilder strickte und sich dabei fragte, wie diese passen sollten, da Stoppschilder ja keine Schultern besaßen. Aubrey versuchte, allen mitzuteilen, dass der Mond sich in eine riesige Abrissbirne verwandelt hatte, die auf Tappan Square zuraste.
    »Komm.« Eine Stimme drang in ihren Traum wie der Lichtschein einer Taschenlampe durch einen Nebel. Sie wusste nicht, wer sprach. »Bringen wir sie ins Bett.«

Kapitel 15
    Stricke einen Platzhalter
    Der Samstagmorgen begann mit einem Regenschauer, der über die Strickerei hinwegzog, und ganz Tappan Square schimmerte vor Nässe. Asternsträuche und Töpfe voller Chrysanthemen zitterten am Straßenrand unter den dicken Tropfen. Vogelscheuchen mit Schlapphüten waren an den Briefkästen befestigt worden und grinsten von ihnen herab. Zombies hingen an Drahtseilen von Veranden und drehten langsame Kreise in der munteren Brise.
    Die meisten Bewohner von Tappan Square schliefen noch und wussten nicht, dass Fremde in ihren Teil der Stadt eingedrungen waren. Ein Vermessertrupp war direkt nach Morgengrauen mit Stativen, Helmen und dampfenden Kaffeebechern eingetroffen. Die Männer arbeiteten schnell, schwärmten aus, gaben Signale und sprachen in ihre Handys. Sie vermaßen die Umrisse einer Nachbarschaft, die bald verschwunden sein würde, zogen unsichtbare Linien um Gebäude, die wie Bäume gefällt werden sollten.
    Früher war Tappan Square tatsächlich einmal ein Platz gewesen, ein kleiner öffentlicher Park, an dessen westlichem Rand die Strickerei thronte. Jeden Morgen gingen die Einwohner Tarrytowns dort mit ihren Hunden spazieren oder breiteten ihre Picknickdecken auf dem feuchten Gras aus, wenn ihnen danach war. Den Kindern, die auf dem großen grünen Rasen herumrannten und Radschlugen, kam es so vor, als würde sich der Tappan Square Park endlos ausdehnen und als müsste er ewig fortbestehen. Doch als die ersten Automobilfabriken entlang dem Ufer ihre Pforten öffneten und Zehntausende Beschäftigte Wohnungen brauchten, wurde der Park mit so vielen zweistöckigen Kolonialbauten gefüllt, einer nicht vom anderen zu unterscheiden, wie auf der freien Fläche Platz fanden, und ein neues Stadtviertel war geboren.
    Aubrey schlief, als die Landvermesser die Straße vor der Strickerei überquerten und zu den Fenstern des alten, auseinanderbröckelnden Hauses aufschauten. Sie schlief und schlief. Sie träumte von Vic, träumte davon, wie er den Daumen in die Vertiefung an ihrem Hals drückte, wie sie sich gegen ihn presste, Haut an Haut. Ihr Geist war träge, doch ihr Körper brannte, war wach und erhitzt, erfüllt vom verschwommenen Gefühl eines Knies, das sich gegen das ihre presste, der Glätte von Schulterblättern unter ihren Handflächen, von wildzuckenden Muskeln, der eisernen Hitze eines schweren Gewichts auf ihr, Tausender elektrischer Leitungen, die sich unter ihrer Haut bogen und ineinander verschlangen und hin und her peitschten, bis – bittere Enttäuschung – das Telefon klingelte. Der Strom musste über Nacht wieder zurückgekommen sein.
    Sie ging langsam nach unten und war überrascht, Meggie in der Küche anzutreffen, die mit überkreuzten Beinen am Tisch saß und Kaffee trank.
    »Du bist ja früh wach«, stellte Aubrey fest. »Wer war das eben am Telefon?«
    »Vic.«
    »Warum hast du mich nicht gerufen?«
    Meggie blickte auf. »Ich habe eine Nachricht für dich.«
    »Okay, und wie lautet sie?«
    »Er will dich heute Abend zum Tappan-Watch-Treffen mitnehmen. Also habe ich ihm gesagt, dass du dich sehr darüber freuen würdest.«
    »Oh.«

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