Die Würfel Gottes
wissen, könnte irgendein Doktorand in Princeton oder Harvard in diesem Moment an den Gleichungen arbeiten.«
David ergriff ihre Hand. Es gab nichts mehr, was er tun konnte. Im Augenblick war das Geheimnis des Herrn Doktor in Michaels Kopf sicher, aber all ihre Vorsichtsmaßnahmen wären umsonst, wenn ein anderer Physiker die Theorie entdecken und veröffentlichen würde. Von dem Tag an bliebe ihnen nur noch die Hoffnung. David lief ein Schauer über den Rücken, während er da neben Monique saß und auf den
Schulhof voll spielender Kinder starrte. Alles ist so flüchtig, dachte er. Es konnte in einem Augenblick verschwunden sein.
Dann ließ er seine Hand zu Moniques Bauch wandern und spreizte die Finger über dem weichen Baumwollstoff ihrer Bluse. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. »Es ist noch zu früh, um irgendwas zu fühlen. Sie wird erst im vierten oder fünften Monat anfangen zu treten.«
David erwiderte ihr Lächeln. »Wieso sagst du immer wieder ›sie‹? Bist du dir denn sicher, dass es ein Mädchen wird?«
Monique zuckte mit den Achseln. »Es ist nur so ein Gefühl. Letzte Nacht habe ich geträumt, dass wir sie aus dem Krankenhaus mit nach Hause nehmen. Ich habe sie in den Wagen gesetzt, sie in ihrem Kindersitz festgeschnallt, und auf einmal fing sie an zu reden. Sie hat sich mir regelrecht vorgestellt. Sie hat gesagt, sie hieße Lieserl.«
»Mensch, das ist ja ziemlich ausgefallen.« Er rieb ihren Bauch direkt über dem Nabel. »Ist das also der Name, den du ihr geben willst? Lieserl? Oder Albert, falls es ein Junge wird?«
Sie verzog das Gesicht. »Bist du verrückt? Das Letzte, was die Welt braucht, ist ein neuer Einstein.«
David lachte, und obwohl er wusste, dass es absolut unmöglich war, hätte er schwören können, gefühlt zu haben, wie sich etwas unter seiner Hand bewegte.
ANMERKUNG DES AUTORS
Als ich Die Würfel Gottes zur Hälfte fertig hatte, begriff ich erst, wie perfekt dieser Roman auf mich zugeschnitten war. Beim Scientific American ist es mein Job, verwirrende Ideen wie die Stringtheorie, zusätzliche Dimensionen und Parallelwelten zu vereinfachen. Im Jahr 2004 begann ich mich während der Arbeit an einer Geschichte für eine Sondernummer über Albert Einstein für seine lange Suche nach einer einheitlichen Theorie zu interessieren – eine einzige Reihe von Gleichungen, die sowohl die Relativität als auch die Quantenmechanik umfasste und die Physik von Sternen und Galaxien mit den Gesetzen der subatomaren Welt vereinigte. Einstein schlug sich von den Zwanzigerjahren bis zu seinem Tod im Jahr 1955 mit diesem Problem herum, aber all seine Bemühungen, eine einheitliche Theorie zu formulieren, blieben letztlich zum Scheitern verurteilt. Als ich mich mit diesem Teil von Einsteins Leben beschäftigte, fragte ich mich: Was wäre passiert, wenn er Erfolg gehabt hätte? Die Entdeckung einer einheitlichen Theorie wäre eine der größten Errungenschaften in der Geschichte der Naturwissenschaft, aber sie könnte auch unerwünschte Konsequenzen haben. Einstein wusste nur zu gut, dass seine Relativitätstheorie die Vorarbeit für die Entwicklung der Atombombe geleistet hatte. Hätte er die einheitliche Theorie veröffentlicht, falls ihm klar gewesen wäre, dass sie Waffen den Weg geebnet hätte, die sogar noch schrecklicher waren? Oder hätte er sie geheim gehalten?
Meine Faszination für Einstein begann auf dem College.
Ich studierte Astrophysik im Hauptfach an der Princeton University, und mein Mentor war der angesehene Theoretiker J.« Richard Gott III – der Autor von Zeitreisen in Einsteins Universum. Als Thema meiner Diplomarbeit schlug Professor Gott ein Problem aus dem Bereich der Relativitätstheorie vor: Wie würde Einsteins Feldtheorie in Flachland funktionieren, einem Modelluniversum mit nur zwei räumlichen Dimensionen, wie ein ungeheuer großes Blatt Papier. Nachdem ich ein Notizbuch mit Gleichungen vollgekritzelt hatte, zeigte ich Dr. Gott die Lösung, woraufhin er mir das schönste Kompliment machte, das man von einem theoretischen Physiker bekommen kann: »Diese Lösung ist nicht trivial!« Wir schrieben gemeinsam einen wissenschaftlichen Artikel mit dem Titel »General Relativity in a (2 + l)-dimensional Spacetime«, der 1984 in der wissenschaftlichen Zeitschrift General Relativity and Gravitation veröffentlicht wurde.
Als der Aufsatz erschien, hatte ich allerdings beschlossen, dass ich mich lieber der Poesie zuwenden als Physiker werden wollte, und deshalb
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