Die Würfel Gottes
armseliger Ehemann. Immer wenn Karen etwas vorschlug, machte er es zunichte. Er wollte nicht mal darüber nachdenken, in eine größere Wohnung zu ziehen oder Jonah auf eine Privatschule zu schicken. In ihren Augen schlug es dem Fass den Boden aus, als er das Angebot zurückwies, die Leitung des Historischen Seminars zu übernehmen. Diese Stellung hätte ihnen zusätzliche dreißigtausend Dollar pro Jahr gebracht, was gereicht hätte, um ihre Küche zu renovieren oder die Anzahlung auf ein Landhaus zu leisten, aber David lehnte sie ab, weil die damit verbundenen Verpflichtungen ihm »kaum noch Zeit für seine Forschung gelassen hätten«, wie er sagte. Danach hatte Karen ihn aufgegeben. Sie konnte nicht mit einem Mann zusammenleben, der ihr auch nicht das kleinste Zugeständnis machen wollte.
Ach, hör endlich auf, über David nachzudenken, ermahnte sie sich. Was sollte das schon bringen. Sie hatte doch jetzt
Amory. Sie hatten schon davon gesprochen, ein Apartment zu kaufen. Ein Haus auf der East Side wäre eine schöne Abwechslung. Vielleicht eine Fünf-Zimmer-Wohnung in einem dieser Gebäude an der Park Avenue. Oder ein Stadthaus mit Dachgarten. Das würde eine schöne Stange Geld kosten, aber Amory konnte es sich leisten.
Karen war so sehr damit beschäftigt, sich das perfekte Apartment vorzustellen, dass sie das Klingeln an der Tür beim ersten Mal nicht hörte. Das zweite Klingeln hörte sie allerdings, weil es davon begleitet wurde, dass jemand gegen die Tür hämmerte. »Mrs. Swift?«, ertönte eine eindringliche Bassstimme. »Sind Sie da, Mrs. Swift?«
Sie setzte sich im Bett auf, und ihr Herz pochte wie wild. Wer um alles in der Welt würde um diese Uhrzeit an ihrer Tür klopfen? Und warum benutzte er den Ehenamen, den sie vor zwei Jahren aufgegeben hatte? Beunruhigt packte sie Amory an der Schulter und schüttelte ihn. »Amory! Wach auf! Da ist jemand an der Tür.«
Amory drehte den Kopf auf die andere Seite und murmelte etwas. Er hatte einen gesunden Schlaf.
»Machen Sie auf, Mrs. Swift«, vernahm sie eine andere tiefe Stimme. »Hier ist das FBI. Wir müssen mit Ihnen sprechen.«
Das FBI? Was war das denn? Wollte ihr jemand einen Streich spielen? Dann erinnerte sie sich an den Telefonanruf von vor ein paar Stunden, der Anruf des Detectives, der nach David gefragt hatte. War es das? War David in irgendwelche Schwierigkeiten geraten?
Sie schüttelte Amory noch mal an der Schulter, richtig fest diesmal, und er öffnete die Augen. »Was?«, krächzte er. »Was ist denn? Was ist hier los?«
»Steh auf! Da sind ein paar Männer an der Tür! Sie sagen, sie wären vom FBI!«
»Was? Wie spät ist es?«
»Steh einfach auf und sieh nach!«
Amory seufzte, griff nach seiner Brille und stieg aus dem Bett. Er streifte einen rötlich braunen Bademantel über seinen gelben Schlafanzug und zog den Gürtel zu. Karen warf sich ein altes T-Shirt über und schlüpfte in eine Trainingshose.
»Dies ist Ihre letzte Chance!« Eine dritte Stimme. »Wenn Sie die Tür nicht aufmachen, schlagen wir sie ein! Hören Sie mich, Mrs. Swift?«
»Moment mal! Nicht so schnell!«, erwiderte Amory. »Ich bin schon auf dem Weg.«
Karen folgte ihm, hielt sich aber ein wenig im Hintergrund. Während Amory in die Eingangsdiele ging, bezog sie instinktiv Stellung vor der Tür zu Jonahs Kinderzimmer. Gott sei Dank hatte ihr Sohn auch einen gesunden Schlaf.
Amory beugte sich ein wenig vor, sodass er durch den Spion gucken konnte. »Wer sind Sie, meine Herren?«, fragte er durch die Wohnungstür. »Und was machen Sie hier mitten in der Nacht?«
»Wir haben Ihnen gesagt, dass wir vom FBI sind. Machen Sie auf.«
»Tut mir leid, aber ich muss zuerst Ihre Dienstmarken sehen.«
Karen starrte auf Amorys Hinterkopf, während er durch den Spion schaute. Nach ein paar Sekunden warf er ihr über die Schulter einen Blick zu. »Es sind wirklich FBI-Agenten«, sagte er. »Ich will mal feststellen, was sie wollen.«
Karen rief noch: »Warte, lass sie nicht …«, aber es war zu spät. Amory entriegelte die Tür und drehte den Knauf um. Im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen, und zwei riesige Männer in grauen Anzügen griffen Amory an, warfen ihn auf den Rücken und hielten ihn am Boden fest. Zwei weitere Agenten sprangen über ihn und rannten in das Apartment, ein hochgewachsener, breitschultriger Blonder
und ein Schwarzer mit einem dicken Hals. Karen brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass beide Schusswaffen auf sie
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