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Die Würfel Gottes

Titel: Die Würfel Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Alpert
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Theorie war unbestimmt, unvollständig und äußerst unhandlich, und trotzdem beflügelte sie die Fantasie von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt. Eine von ihnen war Monique Reynolds, eine vierundzwanzigjährige Doktorandin in Princetons Naturwissenschaftlicher Fakultät.
    David sah sie zum ersten Mal am Tag der Schlussveranstaltung der Konferenz, die in einem großen Auditorium in Jadwin Hall stattfand. Monique stand auf der Bühne und bereitete sich darauf vor, einen Vortrag über mehrdimensionale Mannigfaltigkeiten zu halten. Was ihm als Erstes auffiel, war ihre Größe, einen ganzen Kopf größer als der vertrocknete Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät, der Monique als »die klügste junge Studentin, mit der ich je das Vergnügen hatte zusammenzuarbeiten« vorstellte. David fragte sich, ob sie dem alten Mann nicht vielleicht ein bisschen zu sehr gefiel, weil diese Frau nicht nur groß, sondern auch wunderschön war. Ihr Gesicht war wie eines der antiken Porträts von Athene, der griechischen Göttin der Weisheit, aber anstatt eines Helms trug sie eine Krone kompliziert geflochtener Cornrows, und ihre Haut hatte die Farbe von Kaffeelikör mit Sahne. Ein langes Kleid aus gelb-rotem Kente-Stoff umhüllte ihre Schultern, und mehrere goldene Reifen hingen an jedem ihrer braunen Arme. In der Eintönigkeit von Jadwin Hall funkelte sie wie ein Teilchenschauer.
    Physikerinnen waren in den Achtzigerjahren eine ungewöhnliche Erscheinung, aber eine dunkelhäutige Stringtheoretikerin war eine echte Seltenheit. Die Naturwissenschaftler im Hörsaal betrachteten sie, wie sie jede andere Seltenheit betrachten würden, mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Skepsis. Sobald sie allerdings mit ihrer Präsentation anfing, akzeptierten sie Monique als eine der Ihren, weil sie ihre Sprache sprach, die abstruse Zunge der Mathematik. Sie ging
zu der Tafel und schrieb eine lange Folge von Gleichungen auf, jede voll mit den Symbolen, die für die fundamentalen Parameter des Universums standen: die Lichtgeschwindigkeit, die Gravitationskonstante, die Masse des Elektrons, die Stärke der Atomkraft. Mit einer Leichtigkeit, um die David sie nur beneiden konnte, manipulierte und transformierte sie anschließend das dichte Unterholz der Symbole, bis sie sich zu einer einzigen, eleganten Gleichung zusammengefasst fanden, die die Form des Raums um einen vibrierenden String beschrieb.
    David konnte nicht jedem Schritt ihrer Beweisführung folgen; zu diesem Zeitpunkt seines Studiums hatte er die Grenzen seiner mathematischen Fähigkeiten erkannt, und normalerweise empfand er eine überwältigende Frustration und Eifersucht, wenn er Zeuge wurde, wie ein Genie von Moniques Kaliber seine Fertigkeiten demonstrierte. Aber während sie ihre Zauberkunststücke an der Tafel vollführte und gelassen auf die Fragen ihrer Kollegen antwortete, empfand David nicht die Spur von Bitterkeit. Er gab sich in ihre Hände, ohne Widerstand zu leisten. Als sie mit ihrer Präsentation fertig war, sprang er auf und ging nach vorn zur Bühne, um sich vorzustellen.
    Monique zog die Augenbrauen hoch, als David seinen Namen nannte. Ein Ausdruck von Überraschung und Freude zog über ihr Gesicht. »Natürlich, ich kenne Sie!«, rief sie aus. »Ich habe gerade das Referat gelesen, das Sie mit Hans Kleinman geschrieben haben. Relativität in einer zweidimensionalen Raumzeit, stimmt’s? Das war ein feines Stück Arbeit.«
    Sie ergriff seine Hand und drückte sie. David war sprachlos – er konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich sein Referat gelesen hatte. »Na ja, eigentlich ist es nichts Besonderes«, antwortete er. »Nicht im Vergleich mit Ihrer Arbeit, meine ich. Ihre Präsentation war absolut umwerfend.« Er versuchte
sich zu einem intelligenteren Kommentar aufzuraffen, aber ihm wollte nichts einfallen. »Sie haben mich völlig umgehauen. Ich war ehrlich überwältigt.«
    »Herr im Himmel, machen Sie mal’nen Punkt!« Sie ließ ein Lachen hören, einen wundervollen hohen perlenden Ton. »Ich komme mir ja vor wie ein Filmstar!« Dann machte sie einen Schritt auf ihn zu und legte ihm leicht die Hand auf den Unterarm, als wären sie alte Freunde. »Also, Sie sind an der Columbia, stimmt’s? Wie sieht es dort an der Fakultät aus?«
    Ihr Gespräch dauerte mehrere Stunden, wobei sie sich zunächst ins Dozentenzimmer begaben, wo David ein paar der anderen Doktoranden in Princetons Physikalischem Institut kennenlernte, und dann zu einem Restaurant namens The Rusty

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