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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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dass sich Magdalena zu Roswitha geflüchtet hatte, um sich bei ihr auszuweinen. Dass Seumes Männer ihren geliebten Eric fortschleiften, setzte ihr bestimmt arg zu. Da konnte ihr selbst die geheimnisvolle Kraft des Bernsteins nicht helfen. Wehmütig dachte Elsbeth daran, wie sie den honiggelben Stein in Händen gehalten hatte. Wie gut hätte sie ihn jetzt gebrauchen können!
    Verärgert glitt ihr Blick über Rupprecht. Erbärmlich, wie er da vor ihr saß, zitternd wie Espenlaub, nur weil das Zelt des Feldschers leer war! Nun reichte es ihr.
    »Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag kannst du hier dumm rumstehen und warten. Ich sage nichts, weil ich nichts weiß.«
    »Natürlich weißt du etwas.« Dicht baute er sich vor ihr auf, ohne dem unruhigen Kind auf ihrem Arm Beachtung zu schenken. Wütend zischte er: »Oder hältst du mich für so beschränkt, dass ich nicht merke, welches Spiel du mit mir spielst? So weit ist dein Zelt nicht von Meister Johanns Wagen entfernt. Da drin ist ein einziges Durcheinander, Kisten, Töpfe, Tiegel – alles durchwühlt. Den Lärm, den das verursacht hat, musst du gehört haben. Erzähl also keine Lügen, sondern sag endlich, was du mitbekommen hast.«
    »Nichts habe ich mitbekommen! Wie denn auch? Ist dir schon mal aufgefallen, dass es seit Stunden donnert, als würden sämtliche Geschütze unseres Regiments gleichzeitig abgefeuert? Außerdem: Würde ich jedes Mal wenn es drüben in Meister Johanns Wagen rumpelt, nachsehen, hätte ich ganz schön was zu tun.«
    Carlotta schrie auf und presste im nächsten Moment die winzigen Hände zu Fäusten. Ihr Kopf lief rot an, das Gesicht wurde zu einer verzerrten Grimasse, die dunklen Augen bildeten nur mehr einen schmalen Schlitz. Im nächsten Moment entlud sich eine stinkende Ladung in die Windeln. Carlottas Gesichtchen entspannte sich. Auch ihr Greinen hörte auf.
    »Schnell, gib mir die Tücher und hilf mir«, raunzte Elsbeth Rupprecht an, der wie erstarrt zusah, wie sie das Kind von dem verschmutzten Stoff befreite. Sie hatte sie auf dem kalten, nassen Boden ablegen müssen, was der Kleinen überhaupt nicht gefiel, erst recht nicht, als sie schließlich ganz nackt darauf zu liegen kam. Verängstigt wimmerte sie vor sich hin. Gespenstische Schatten huschten über die Zeltplane. Bald würde das Talglicht auf der Truhe endgültig verlöschen, ohne dass Elsbeth ein neues anzünden konnte. Seume hatte an diesem Abend keinen Nachschub mehr gebracht. Bald ließ Carlotta sich von dem unsteten Tanz der Silhouetten ablenken.
    Geschickt hielt Elsbeth sie mit einer Hand auf dem Bäuchlein, während sie sich mit der anderen die Decke von der Schulter zog und über das Kind legte. Die Decke war zwar auch feucht, spendete aber dennoch ein wenig Wärme. Blindlings griff sie nach den Tüchern, die Rupprecht ihr umständlich reichte. Endlich war er auf die Idee gekommen, in der Truhe nachzusehen und noch ein paar Streifen einigermaßen trockenen Stoffs daraus zu ziehen. Mit drei, vier geübten Handgriffen hatte sie Carlotta wieder eingewickelt und hob sie hoch.
    Die ganze Aktion hatte sie viel Kraft gekostet. Mit einem Mal war sie es leid. Rupprecht sollte endlich verschwinden, sie wollte nur noch ihre Ruhe. »Also gut«, sie wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, die nun sogar verschwitzt war, »ich habe tatsächlich gesehen, wie Magdalena weggegangen ist.«
    »Was? Warum sagst du das nicht gleich? Wo ist sie hin?« Rücksichtslos riss Rupprecht sie herum, so dass Carlotta wieder weinte.
    »Woher soll ich das wissen? Johann ist doch euer Meister. Der muss es wissen. Frag doch den!«
    »Der ist auch weg. Das habe ich dir vorhin schon gesagt.«
    »So?« Das klang beiläufiger, als sie es meinte. Langsam wurde ihr bewusst, dass sie Rupprecht wohl doch besser hätte zuhören sollen. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander. Nachdem Seumes Knechte Eric mitgenommen hatten und der Feldscher verschwunden war, schien es ihr auf einmal unwahrscheinlich, dass Magdalena zu Roswitha gelaufen war. Seume musste sie wohl ebenfalls zu sich zitiert haben, um den Verletzten zu pflegen. Kein gutes Zeichen! Anscheinend traute er ihnen allen nicht mehr über den Weg und wollte Magdalena direkt unter seiner Kontrolle haben. Möglich auch, dass Gefahr von außen im Verzug war. Am Ende rückten die Schweden weitaus schneller heran, als Seume behauptet hatte. Beides machte ihr auf einmal Angst. Immerhin hockte sie mutterseelenallein in ihrem Zelt, auf der einen Seite

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