Die Wundärztin
lediglich flankiert von einer schusseligen, dürren Alten, auf der anderen Seite in einiger Entfernung zur leeren Unterkunft des Feldschers. Wer auch immer dort auftauchen mochte, ob die feindlichen Schweden oder die Kumpane des feigen Soldatenmörders, allen war sie schutzlos ausgeliefert. Was sollte sie tun? Zu Seume kriechen und ihn reumütig um Verzeihung bitten? Allein die Vorstellung ekelte sie an.
»He, was ist mit dir? Hat es dir die Sprache verschlagen?« Besorgt sah Rupprecht sie an und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Hoffnung keimte in ihr auf. Seine dunklen Augen wirkten erstaunlich frisch. Warum blieb sie nicht einfach bei ihm? In der Not konnte er ihr wohl kaum den Beistand verwehren. Und sie wusste doch, wie sie ihn für sich gewinnen konnte. Oft genug war er in ihren Händen wie warmes Wachs zergangen. Entschlossen setzte sie ein strahlendes Lächeln auf. In dem schwindenden Schein des Talglichts konnte er zwar wenig davon erkennen, sie war sich jedoch sicher, dass ihrer Stimme das Wohlwollen anzuhören war. »Ich habe wirklich nur beobachtet, wie Magdalena fort ist, kurz nachdem Seumes Leute da waren und Eric mitgenommen haben. Davor war sie noch in Meister Johanns Wagen und kam mit einem gutgefüllten Beutel heraus. Kann es nicht sein, dass sie Eric in Seumes Zelt pflegen soll? Wahrscheinlich hat er Eric und Magdalena zu sich bringen lassen, weil er verhindern will, dass ihn jemand so kurz vor der Hinrichtung befreit.«
»Eric befreien? Wer um Himmels willen sollte das tun? Wie kommst du darauf?« Schlagartig wich die Farbe aus seinem Gesicht. Selbst als der Docht der kleinen Lampe endgültig erlosch, war das noch zu erahnen, so weiß schimmerte seine Haut. Rupprechts ruckartige Bewegung schreckte Carlotta auf. Von neuem weinte sie.
Argwöhnisch behielt Elsbeth Rupprecht im Auge, während sie das schreiende Kind von einer Hüftseite auf die andere hievte. Der wich ihrem Blick aus und blieb auf Abstand. »Warum haben sie den Halunken sonst weggebracht? Hat mich ohnehin schon gewundert, dass sie ihn so lange ohne Wachen bei euch haben liegen lassen.«
Das Schreien der Kleinen wurde lauter, beruhigend schaukelte Elsbeth sie hin und her. In der Finsternis wirkten Rupprechts Wangen eingefallen. Die dunklen Augen betonten den Eindruck der Magerkeit noch. Was hatte sie je an ihm gefunden? Ein Mann musste stattlich sein und mindestens einen Kopf größer als seine Frau. Wie sollte die sonst ausreichend Schutz an seiner Schulter finden? Lächerlich, wie schmächtig Rupprecht geraten war. Nie und nimmer würde er ihr bei Gefahr helfen können. Nicht nur seine geringe Körpergröße, auch die mangelnde Muskelkraft stieß ihr auf einmal übel auf. Dass sie das alles jetzt erst sah! Völlig verblendet musste sie gewesen sein. Gott wusste schon, warum ihr Kind gar nicht erst gelebt hatte. Sie drückte die Brust heraus und wandte sich von ihm ab. »Was willst du noch hier?«, herrschte sie ihn an. »Hau endlich ab, du erbärmlicher Hundsfott!«
20
»Du bist hier?« Magdalena erstarrte vor Schreck, als sie im Halbdunkel des schlecht ausgeleuchteten Zeltes Meister Johann entdeckte. Flankiert von den beiden Steckenknechten, stand er halb gebückt, blutbefleckte Leinenstreifen in der Hand. Auch er schien nicht erfreut über ihr Auftauchen. Seine hervorquellenden blassgrauen Augen wichen ihr aus, die riesigen Hände zitterten. »Was tust du hier?«, fragte sie ihn. Er blieb ihr die Antwort schuldig. Nervös sah er zu den Steckenknechten, dann flüsterte er ihr zu: »Sag mir lieber, was passiert ist? Warum haben sie Eric und dich hergebracht? Wo steckt Rupprecht?«
»Dasselbe wollte ich dich gerade fragen.«
Darauf ging er nicht ein, sondern wandte sich betont schroff an die Steckenknechte: »Dem Verwundeten geht es schlecht. Den Weg hierher hat er nicht gut überstanden, weil ihr alles andere als sanft mit ihm umgesprungen seid. Dringend müssen wir die Verbände wechseln und wirksame Pflaster gegen die Blutungen auflegen. Hast du alles dabei, Magdalena? Dann lass uns ans Werk gehen!«
Knapp wies er mit dem Kopf über die Schulter. Jetzt erst entdeckte sie den Vorhang, der das Innere des Zeltes in zwei Räume teilte. Abrupt wurde der Stoff zurückgeschlagen, und Seume schob sich dahinter hervor.
»Da ist ja endlich unsere liebreizende Wundärztin. Päppel mir endlich den Halunken dahinten auf. Bis zum Morgengrauen soll er auf eigenen Beinen stehen. Seinen
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