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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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dem Gewissen, um an die Vorräte in den Magazinen zu kommen? Und wie viel von dem Gewinn hat er tatsächlich den ausgebluteten Bauern überlassen? Komm schon, Magdalena, du bist doch eine kluge Frau: Wie auch immer du es drehst, du weißt nicht, was er die letzten beiden Jahre wirklich getan, wie er die Zeit bei den Franzmännern überstanden und warum er sich nicht bei dir gemeldet hat.«
    Nicht ohne Genuss bohrte Rupprecht den Finger tief in die offene Wunde. Eine Weile sahen sie einander geradewegs in die Augen. Wie so oft war es am Ende Rupprecht, der als Erster den Blick senkte. »Also gut, wie stellst du dir das genau vor?« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Die Sache ist denkbar einfach«, begann sie so gelassen wie möglich.
    »Ach?« Seine Augenbrauen schoben sich zweifelnd nach oben.
    Versöhnlich legte sie ihm die Hand auf die Schulter und bemühte sich um einen sachlichen Ton. »Eigentlich müsste ich dir zürnen, dass du mir überhaupt zutraust, einen Unschuldigen für Eric Schaden nehmen zu lassen. Aber sei beruhigt, so weit wird es niemals kommen. Ohnehin müssen wir erst einmal den Beginn der Schlacht mit den Schweden abwarten. Wenn es uns gelingt, Eric mit dem Verband um den Kopf aus dem Lager zu schaffen, legen wir einen unbekannten Toten an seiner statt auf die Matte. Sobald die Schlacht mit den Schweden in vollem Gang ist, wird es nicht schwer sein, eine passende Leiche aufzutreiben. Großgewachsene Rotblonde gibt es zuhauf, sowohl bei den Schweden als auch bei uns.«
    »Hm.« Mehr sagte Rupprecht nicht. Unwirsch trat er zur Öffnung des Zeltes und sah in den grauen Tag. Magdalena tat es ihm gleich. Schweigend standen sie nebeneinander, ein jeder in seine Gedanken vertieft. Das sonst von Menschen wimmelnde Lager war wie ausgestorben. Heftig platzten die Tropfen auf den Lehmboden, rissen Furchen in die Erde, vergrößerten die Pfützen. Durch die graue Regenwand schien kein Durchkommen. Der kalte Wind war unangenehm, die feuchte Kälte machte die Körper klamm. Dennoch tat die frische Luft gut. Der üble Unratgestank, der in den letzten Tagen immer stärker von den Rändern des Lagers herübergezogen war, war verschwunden. Stattdessen verströmte die nasse Erde einen herben Geruch. Das versprach nicht nur das Ende der trägen Hitze, sondern auch das Ende von Hunger und Durst. Nicht mehr lang, und es würden wieder überall frische Kräuter sprießen. Sauberes Wasser zum Trinken und Baden wäre auch wieder zur Genüge vorhanden.
    »Zwei Dinge setzt dein Plan voraus.« Rupprechts Stimme verriet, dass er ihn ernsthaft erwog.
    »So?« Sie bemühte sich um Gleichgültigkeit, wenn sie auch innerlich schmunzelte, wie leicht sie ihn wieder eingefangen hatte. Die seltsame Drohung, er verlange eine Gegenleistung für seine Hilfe, schien vergessen.
    »Zum Ersten muss es uns gelingen, Eric aus Seumes verdammtem Zelt fortzubringen, bevor jemand auf die glorreiche Idee verfällt, ihn doch noch rasch am nächsten Baum aufzuhängen.«
    »Das werden sie nicht wagen, solange Seume es nicht befiehlt, und der kann, wie wir wissen, gerade nicht einmal einen leisen Piep von sich geben.«
    »Und was ist mit dem Generalauditor? Auch er könnte das anordnen.«
    Diesen Punkt hatte sie bereits bedacht. »Wenn er es wollte, hätte er es schon getan. Er will Seume jedoch nicht ins Handwerk pfuschen, denn noch besteht Hoffnung, dass der wieder auf die Beine kommt und sein Spektakel höchstpersönlich durchführt. Das will ihm niemand nehmen. Nicht einmal die obersten Offiziere wollen ihn unnötig reizen.«
    »Hm.« Rupprecht machte keinen Hehl daraus, dass er sich nur ungern geschlagen gab.
    »Und das Zweite?«, erinnerte sie ihn nach einer Weile daran, dass er mit seinen Einwänden noch nicht fertig war.
    Er drehte sich um. »Die Schweden!«, raunzte er gereizt, weil er wohl nicht verstand, dass sie nicht von selbst darauf kam. »Das alles funktioniert doch nur, wenn die Schweden wirklich anrücken. Allein im Getümmel der Schlacht bietet sich uns die Gelegenheit, die Verwundeten auszutauschen.«
    An der rückwärtigen Seite des Zeltes knirschte es. Erschrocken sahen sie sich an. Hatte sie jemand belauscht? Mit einem Satz war Rupprecht draußen. Magdalena suchte mit den Augen die nächste Umgebung ab. Niemand trieb sich in Sichtweite herum. Auch Rupprecht kam unverrichteter Dinge zurück.
    »Wir müssen uns vorsehen.« Er schob sie ins Zeltinnere. »Nirgendwo sind wir ungestört. Trauen dürfen wir keinem. Nicht

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