Die Wundärztin
»Geschieht Seume doch ganz recht, dass er jetzt halb tot ist. Was turnt er bei strömendem Regen auch sturzbesoffen auf dem Galgen herum?«
»Nicht so laut, oder willst du uns alle ins Unglück reißen?« Ihr einarmiger Gatte schoss aus dem Unterschlupf hervor und zog sie mit einem misstrauischen Blick auf Elsbeth weg. »Hast du keine Augen im Kopf? Seit Tagen schon hat Seume es nebenan mit Elsbeth getrieben. Wie kannst du nur so dumm sein, ausgerechnet vor ihr über ihn herzuziehen? Gleich wird die zu ihm rennen und dich anschwärzen. Willst du etwa die Nächste sein, die am Strick hängt?«
»Die Frage ist doch, wer von uns beiden dumm ist.« Ein kräftiger Ruck genügte der Dürren, sich loszureißen. Energisch stemmte sie die Hände in die Hüften, sah kurz zu Elsbeth und herrschte ihren Mann an: »Im Gegensatz zu dir ist mir aufgefallen, warum Elsbeth das tut: damit die Kleine was zu beißen hat! Einen feuchten Dreck kümmert sich Magdalena um ihr Kind, also muss Elsbeth schauen, wie sie das hungrige Mäulchen stopft. Aber für so was habt ihr Männer keinen Blick. Ihr schaut immer nur drauf, wer wie oft ein Weibsbild flachlegen kann.«
»Sprich nicht so von der roten Magdalena!« Der Einarmige geriet noch mehr in Rage und versuchte, die Dürre erneut zu packen. Ein Arm war dazu zu wenig. Ohne große Mühe entwischte sie ihm.
»Du bist doch nur neidisch, weil du seit Jahren keinen mehr hochkriegst!« Wütend spuckte sie vor ihm aus und ließ ihn einfach stehen, um sich drei Zelte weiter zu einer Bekannten zu flüchten.
Belustigt sah Elsbeth ihr nach und beschloss, sich zu den anderen Frauen zu gesellen. Ihr fröhliches Lachen verriet den Spaß, den sie miteinander hatten. Kaum erreichte sie den Unterschlupf, wurde jedoch der Zelteingang brüsk vor ihr geschlossen. Enttäuscht wandte sie sich ab. Der Regen setzte wieder ein. Erst fielen einzelne, schwere Tropfen, die bald wieder in kräftiges Prasseln übergingen. Einem feuchten, grauen Vorhang gleich schob sich die Nässe abermals von Westen über das Lager. Ein Blitz zuckte über den Himmel, ein Donner krachte. Rasch verfinsterte sich das Firmament. Der noch junge Tag versank bereits wieder in Düsternis. Elsbeth zog das klamme Tuch enger um die Schultern und patschte durch die Pfützen und den schlammigen Boden zurück zu ihrem Zelt.
Bevor sie darin verschwand, glitt ihr Blick ein letztes Mal hinüber zum Rand des Lagers. Still und verlassen standen die äußersten Wagenreihen. Kein Mensch ließ sich freiwillig außerhalb der Unterkünfte blicken. Die Kürassiere und Dragoner hatten ihre Übungen eingestellt. Auch Musketiere oder Pikeniere sah man nirgends mehr. Das schlechte Wetter hatte sogar verhindert, dass noch Zimmerleute und Schanzenbauer ausrückten, um die Befestigungen instand zu setzen. Vielleicht war dieses unaufhörliche Nass ihr Glück. Das Unwetter unterschied nicht zwischen kaiserlichen und schwedischen oder den mit Wrangel verbündeten hessischen Regimentern. Wahrscheinlich steckten die Feinde mit ihren schweren Kanonen und Geschützen im Morast fest und konnten genauso wenig vorrücken, wie die Kaiserlichen sich gegen den Angriff mit dem Bau neuer Schanzen und Gräben wappnen konnten.
Elsbeth schlüpfte in ihr Zelt zurück. Mit einem Stecken stieß sie von unten gegen die durchhängende Plane, um das darin gesammelte Wasser herauszuschleudern.
»He, was soll das? Bist du verrückt?« Gottfried Strecker, der Quartiermeister, stapfte aufgebracht zu ihr herein. Direkt am Eingang stellte er sich in Positur. Von seinem Umhang tropfte es ohne Unterlass. Den Schlapphut riss er sich so schwungvoll vom Kopf, dass ein weiterer Schwall Wasser umherspritzte. Traurig hing die ehemals so stolze rote Feder von der Krempe. Auch der spärliche Haarkranz rund um Streckers Schädel wirkte klatschnass noch erbärmlicher als sonst. Selbst das gut eingefettete Leder seiner hohen Stiefel hielt der Feuchtigkeit nicht stand. Dunkel zeichneten sich Wasserflecken ab, nach und nach drückten sich gar die Zehen einzeln durch.
»Kannst froh sein, dass nur ich es bin, den du mit dem zusätzlichen Guss bedacht hast.«
»Was willst du schon wieder?« Sie bemühte sich gar nicht erst um Freundlichkeit. Der wohlbeleibte Offizier hatte sich gleich nach Seumes Sturz gestern ungefragt als Ersatz bei ihr aufgedrängt. Allzu gut kannte er also die Konditionen, zu denen sie das Spiel mitmachte. Umso mehr erzürnte es sie, dass er dieses Mal mit leeren Händen vor ihr
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