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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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an seinen Fingern. Sie abzuwischen, blieb jedoch keine Zeit. Schon wurde der nächste Verwundete gebracht, dessen Unterleib zerfetzt war. Sofort ging ein Ruck durch Meister Johanns Körper. Mit bloßen Händen fasste er auf den Leib, um die Blutung zu stoppen. »Worauf wartest du noch, Magdalena? Drück endlich zu, bevor uns der hier auch noch verreckt.«
    Mit zittrigen Fingern strich sie sich die roten Locken aus dem Gesicht, bevor sie sich daranmachte, seiner Anweisung zu folgen. Zunächst nahm sie deshalb gar nicht wahr, dass jemand direkt auf sie zuhumpelte, gegen eine Kiste mit Gerätschaften stieß und über das ausgestreckte Bein eines Wartenden stolperte.
    »Lasst mich vorbei«, krächzte Roswitha mit ihrer Rabenstimme und schob sich an Meister Johanns Tisch. Magdalena schreckte hoch. »Ist was mit Carlotta?« Ihr wurde eng ums Herz. Bang sah sie die Alte an.
    »Mit der Kleinen ist alles bestens. Vorhin noch war ich bei Elsbeth. Zur Sicherheit habe ich Tilda, die Nachbarin, gebeten, ein wachsames Auge auf sie zu werfen.« Sie tätschelte Magdalena die Wange und lächelte mit den schmalen Lippen, dass die gutgepflegten weißen Zähne im Mund blitzten. »In eurem Wagen aber solltest du mal nach dem Rechten schauen. Bei der Gelegenheit kannst du Seume gleich die Verbände wechseln gehen.«
    Unbeholfen zwinkerte sie ihr zu. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, griff sie nach dem Tuch, mit dem Magdalena dem Verletzten das schweißnasse Gesicht wischen wollte, und übernahm den Part.
    »Für eine Weile kann ich dich hier vertreten. Ist ohnehin besser, wenn der Meister mal jemand anderen neben sich spürt.« Sie reckte ihr Kinn Richtung Branntweinschlauch und warf dem Feldscher einen vorwurfsvollen Blick zu. »Nicht dass er noch auf dumme Gedanken kommt. Reich mir mal Nadel und Faden, Johann, die Wunde am Ohr nähe ich. Deine Finger zittern zu arg, um die Stiche gerade zu setzen.«
    Ohne Murren tat er, wie sie ihn geheißen hatte.
    »Was willst du noch hier? Hat Roswitha nicht klar gesagt, was zu tun ist?« Mürrisch schaute Meister Johann sie an. Trotz allem belustigt über den seltsamen Anblick, den die beiden am Lazaretttisch boten, beeilte sich Magdalena, fortzukommen.
    30
    Die Leinwand von Meister Johanns Wagen war dick mit Wachs abgedichtet. Der Feldscher verstand es eben, an die wichtigsten Materialien zu kommen. Trotz des tagelangen Dauerregens hielt die Plane ihre Spannung. Elsbeth war froh, sich hierhergeflüchtet zu haben. Zwischen all den Kräuterbüscheln, Tiegeln und Kisten war es zwar eng, aber trocken. Die Kälte kletterte nicht so rasch hoch wie im Zelt, weil sie nicht mehr auf der nassen Erde sitzen musste. Auch Carlotta schien den Ortswechsel zu genießen. Zufrieden quiekte sie vor sich hin. Elsbeth versetzte ihr einen sanften Nasenstüber. Wann hatten sie beide sich zum letzten Mal so wohl gefühlt? Zu essen und zu trinken gab es ebenfalls genug: Meister Johann besaß eine gutgefüllte Kiste mit Vorräten. Neben steinhartem Brot hatte dort sogar noch ein Zipfel Räucherwurst als besonderer Schatz auf sie gewartet. Der dicke Strecker hatte sich zudem nicht lumpen lassen und ihr einen halben Schlauch Wein gebracht, dieses Mal sogar, ohne dass er eine Gegenleistung verlangt hätte. Manchmal lernte er eben doch dazu. Sie tunkte das Brot Bissen für Bissen in einen Becher Wein und genoss den Festschmaus, den sie ganz für sich und Carlotta hatte.
    Durch das Prasseln der Regentropfen drangen plötzlich Stimmen an ihr Ohr. Leise stellte sie den Becher ab und presste Carlottas Köpfchen an die Brust. Die Stimmen kamen näher. Magdalena und Rupprecht – endlich! Elsbeth schmunzelte. Wenn sie sich nicht täuschte und die beiden tatsächlich endlich zurückkamen, um Nachschub an Kräutern, Salben und sonstigen Rezepturen zu holen, konnte sie sie nach Erics Befinden fragen. Ganz unschuldig würde sie sich sogar anbieten, in Seumes Zelt bei ihm zu wachen. Ein bisschen Pflege, während er dort mutterseelenallein auf sein verdientes Ende wartete, würde gewiss nicht schaden. Aus nächster Nähe bekäme sie dann mit, was die Cousine und Rupprecht mit ihm vorhatten. Strecker würde Augen machen, sobald sie ihm das erzählte! Er sollte sich gut überlegen, wie er ihr das lohnen würde. Schon sah sie sich an seiner Seite Einzug in die besseren Unterkünfte im Offizierslager halten.
    Verflucht! Über diesen Gedanken hatte sie gar nicht gemerkt, dass es draußen wieder still geworden war.

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