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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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her.
    Für einen Moment setzte Magdalena das Herz aus. Das Alter stimmte, Größe und Haarfarbe auch, ansonsten war nicht viel zu erkennen, weil sich das Kind zuvor ausgiebig im Schlamm gewälzt hatte. Sie bückte sich und hielt den Kopf fest, um sein Gesicht besser zu sehen. Das Kleine hielt verdutzt inne und erwiderte neugierig den Blick. »Finger weg von meinem Kind«, brauste die Fremde auf und warf sich mit schreckgeweiteten Augen zwischen sie. Entsetzt wich Magdalena zurück. Offenbar fürchtete die andere, sie wollte ihr das Kind entreißen. »Scher dich zum Teufel und nimm deine Kiste allein!« Mit Tränen in den Augen rannte sie weiter, beschämt, schon so wirr zu wirken, als könne sie einer Mutter das Kind stehlen.
    Mehrmals rempelte sie gegen gebückte Rücken oder schwerbeladene Gestalten. Sie wagte kaum mehr, den Kopf zu heben. Ihre Augen saugten sich an der Erde fest. Von den vielen Kisten und Karren hatten sich im Boden tiefe Schleifspuren eingegraben. Immer wieder geriet Magdalena darüber ins Rutschen. Die ehemals so hastig gegrabenen Entwässerungskanäle um die Zelte und Wagen weichten nun, da die Unterkünfte abgebaut wurden, völlig auf.
    An einer Ecke prallte Magdalena mit einem breiten Männerrücken zusammen und hob erschrocken den Blick. Ein vollbeladener Leiterwagen war in gefährliche Schieflage geraten. Der Lehm unter den Rädern gab zusehends nach, bedrohlich rutschten die Kisten nach links, genau auf die Seite, an der Magdalena stand. Zurück konnte sie nicht. Hinter ihr drängten die Menschen nach. Auch zur Seite konnte sie nicht ausweichen, weil dort weitere Zelte und Fuhrwerke standen. Ein kleiner Junge auf dem Kutschbock schrie vor Angst. Mehrere Männer stemmten sich gegen den Wagenkasten, um das Gefährt mit ihren Schultern anzuschieben. Erst nach einem halben Dutzend Versuchen gelang es ihnen. Erleichtert drückte Magdalena sich vorbei.
    Die wenigen Marketender und Handwerker, die einen Wagen nebst Zugtieren ihr Eigen nannten, waren vor dem Aufbruch des Regiments dicht umlagert. Einer solchen Menschentraube fand sich Magdalena in der Nähe des Richtplatzes gegenüber. Ein Händler war gerade dabei, seinen Planwagen zu beladen. Unvorsichtigerweise hatte er einer älter wirkenden Frau erlaubt, ihr Bündel mit aufzupacken. Drei andere Frauen hatten das gesehen und verlangten nach einer ähnlichen Vorzugsbehandlung. Solche Handgreiflichkeiten erlebte Magdalena nicht zum ersten Mal. Gewiss würde es so enden, wie es immer endete: Jede nahm schließlich doch wieder den seit Jahren angestammten Platz ein und versorgte ihr Bündel auf dem Plan- oder Handwagen, auf dem sie es stets unterzubringen pflegte. Das machte die Streitereien eigentlich überflüssig. Wahrscheinlich gehörte das Ritual des Zankens einfach zum Aufbruch dazu.
    Eine der Frauen schüttelte ihr langes blondes Haar im feuchten Regenschleier und reckte den Kopf mitsamt dem wohlgeformten Kinn selbstsicher über die Schultern der anderen hinweg. Das Kind, das sie auf den Hüften wiegte, patschte vergnügt in die Hände. Wie vorhin, als sie ein Kind in Carlottas Alter erspäht hatte, wurde Magdalena bei dem Anblick seltsam zumute. Entschlossen schritt sie auf die Frau zu.
    »Carlotta!«, rief sie und griff nach dem Kind. Im selben Augenblick, in dem das Kleine entsetzt aufschrie, wurde die Frau aufmerksam. »Bist du verrückt?« Schon verpasste sie Magdalena eine schallende Ohrfeige. Das ließ sie aus ihrem Wahn erwachen, und erschrocken sah sie in die dunklen Augen der Frau. Quer über deren rechte Wange zog sich eine wulstige Narbe. Das blutunterlaufene Auge verriet, dass sie öfter Schlägen ausgesetzt war. »Verzeih«, murmelte Magdalena beschämt und drehte sich ab, um schnell davonzueilen.
    Unterdessen bliesen die Trompeter das
»boute-selle«
für die Reiterei. Nicht weit hinter dem Richtplatz lagen die Unterstände für die Pferde der Offiziere. Magdalena warf nur einen kurzen Blick hinüber. Dass Elsbeth sich ausgerechnet dort mit Carlotta versteckte, vermutete sie nicht. Dazu hatte die Cousine zu viel Angst vor den Tieren. Die Stallburschen striegelten und tränkten die kostbaren Pferde, legten ihnen Geschirr und Sattel um. Sorgfältig klaubten ein paar jüngere Buben die Futterreste zwischen den Hufen auf und verstauten sie in Säcken mitsamt dem restlichen Geschirr und Zaumzeug auf den bereitstehenden Gerätewagen.
    Prüfend schritt Magdalena die Wagenreihen ab, auf denen weiteres Material aus den Offizierszelten

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