Die Wundärztin
durchnässt, Schlammspritzer verunzierten Haut und Kleidung. Der fehlende Schlaf und die Angst um Carlotta mochten ihr Gesicht gezeichnet haben, doch es war ihr gleich, was er von ihr dachte. Sie hatte nur eins im Sinn: Carlotta! Schon wollte sie weiter, aber der Mann fasste sie am Arm. »Was ist passiert?«
»Lass uns zu unserem Wagen gehen.« Meister Johann zog sie mit sich fort. Widerwillig stolperte sie neben ihm her, wich, so gut es ging, den Trossleuten aus, ließ ihre Augen aber weiterhin suchend über die Fuhrwerke gleiten. Es konnte doch nicht sein, dass Elsbeth nirgendwo zu entdecken war!
»Was tust du nur? Suchst du immer noch nach deiner Cousine? Die wird sich schon finden. Allein hat sie doch gar keine Chance, erst recht nicht mit dem Kind. Schneller, als dir lieb ist, taucht sie wieder bei uns auf.«
Magdalena schenkte sich die Antwort. Der Feldscher würde sie nie verstehen, weder jetzt, wenn er einigermaßen nüchtern war, noch später, wenn er wieder vom Branntwein berauscht seine Gefühle entdeckte.
Bald erreichten sie den Wagen, an dem Rupprecht die Plane festzurrte. Weit ragten die langen Zeltstangen am hinteren Ende heraus. Die Taue, die die Fourage halten sollten, machten keinen vertrauenerweckenden Eindruck, selbst wenn Rupprecht sie noch so geschickt verknotete.
»Schert euch fort!« Rupprecht hörte auf, sich mit den Tauen zu beschäftigen, und versuchte stattdessen, ein paar meckernde Geißen zu vertreiben, die ihrem Hütejungen entwischt waren.
»Pass besser auf, sonst kriegst du großen Ärger!« Magdalena half dem etwa Zehnjährigen rasch, zwei Zicklein unter dem Wagen herauszuziehen und die Tiere zur restlichen Herde zurückzuführen. Die bestand aus einigen lahmen Eseln, klapprigen Gäulen, die von ihren Reitern aussortiert worden waren, und etwas magerem Vieh. Drei weitere Buben waren damit beschäftigt, die Tiere zwischen den Fuhrwerken zusammenzutreiben. Dazu schlugen sie mit Gerten und pfiffen auf den Fingern. Zwei Hunde umkreisten die Herde und kläfften aufgeregt die störrischen Ziegen an. Das alarmierte einen Erwachsenen, nachzusehen, ob die Kinder alles im Griff hatten. Aufmerksam mischte sich Magdalena in den Tumult. Leise Hoffnung keimte in ihr auf, Elsbeth hätte vielleicht hier hinten, bei einem der Schäfer oder Hütejungen, Unterschlupf gesucht. Doch wieder musste sie unverrichteter Dinge abziehen.
»Mit jedem Tag bin ich mir sicherer, dass Elsbeth dir nur einen Schreck einjagen will«, krächzte es da von Meister Johanns Kutschbock herunter. Im nächsten Moment krachte bereits ein Holzstock auf sie herab. Roswitha hatte ihn fallen lassen, als sie gerade die letzten Bündel unter der Plane verstauen wollte. Schon verhedderte sie sich in einem Seil und fluchte leise, bevor sie noch einen Wasserkessel herunterpoltern ließ, dann endlich hatte sie sich aus der unfreiwilligen Fessel befreit. Keuchend kletterte sie herunter, stemmte die Hände in die Hüften und sah Magdalena aus ihren trüben Augen besorgt an. »Ihren ganzen Kram hat sie dagelassen. Eigenhändig habe ich den vorhin in eurem Zelt zusammengerafft und hier oben bei Meister Johann verstaut. Wenn die liebe Elsbeth nicht zurückkehren wollte, hätte sie das nicht getan. Die ist doch kiebig wie eine Elster auf alles, was sich nur irgendwie zu Geld machen lässt. Nie würde die freiwillig auch nur eine Decke liegen lassen.«
»Der wertlose Kram kann ihr einerlei sein«, widersprach Magdalena leise. »Vergiss nicht, dass sie jetzt Geld genug hat.«
»Sei nicht traurig«, krächzte Roswitha und tätschelte ihr die Wange. »So gerissen ist Elsbeth nicht, dass sie sich allein durchschlagen könnte. Am Ende fehlt ihr doch immer die Durchtriebenheit. Denk nur an die Geschichte mit der Tabakdose. Letztlich hat sie es nicht geschafft, sie dir als Diebesgut unterzujubeln und dich bei Seume anzuschwärzen. Auch mit deinem Bernstein ist es ihr nicht gelungen, dich längere Zeit zu hintergehen und das gute Stück zu Geld zu machen. Selbst wenn sie wirklich fortgelaufen sein sollte: In der Kürze der Zeit kann sie nicht weit gekommen sein, gerade mit der Kleinen am Wickel.«
»Ich Schaf!« Die letzten Worte der Alten waren an Magdalena vorbeigerauscht, denn endlich hatte sie erfasst, was sie vorhin bereits als dunkle Ahnung gespürt hatte. »Ich weiß, was ich tun muss.«
Entschlossen straffte sie sich, blinzelte mit den grünen Augen in den heller werdenden Himmel, als suchte sie dort oben eine Bestätigung, und
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