Die Wundärztin
Schlag versetzt, dass auch er zusammengesackt ist. Der zweite hat still zugeschaut und sich mir sofort mit erhobenen Händen ergeben. Erst habe ich gedacht, er will mich täuschen. Dann aber hat er mir zugezwinkert und mir sogar noch die Truhe geöffnet, in der das Gold lag. Zwar waren die Bestände schon reichlich zusammengeschmolzen, weil sich offenbar Elsbeth schon mittags daraus bedient hat. Aber ein hübsches Sümmchen war es trotzdem. Wir haben beide tief hineingegriffen. Am Ende hat er mich einfach so ziehen lassen.«
»Da siehst du es wieder: Ein Schurke zieht den nächsten an. Seume und seine Leute beklauen sich bei jeder Gelegenheit gegenseitig. Ich wette mit dir, wenn Seume wieder bei Sinnen ist, erzählt der missratene Zwerg ihm, du hättest auch ihn überwältigt und bestohlen.«
»Ob ich jetzt zwei oder drei matt gesetzt habe, darauf kommt es nicht mehr an. Wütend ist Seume ohnehin.«
»Nur dass er es mal wieder kaum offen zeigen darf.« Roswitha schmunzelte. »Wie steht er schließlich da, wenn sich herumspricht, dass er dich nicht mal mit Hilfe seiner beiden Steckenknechte flachlegen konnte?«
So hatte Magdalena das noch gar nicht betrachtet. Wenigstens ein kleiner Triumph an diesem Tag! Allerdings änderte er nichts an dem Unglück, dass Elsbeth ihre Chance genutzt hatte und mit Carlotta abgehauen war.
Als sie bei Einbruch der Nacht Meister Johanns Wagen erreichten, fanden sie ihn leer und verlassen. Der Feldscher hielt weiterhin im Lazarett die Stellung und flickte die aufgeschlitzten Söldner zusammen. Für Rupprecht konnten sie nur hoffen, dass es ihm gelungen war, Eric und sich in Sicherheit zu bringen. Geschickt entfachte Roswitha im angrenzenden Unterstand ein Feuer und brühte einen beruhigenden Tee aus Kamillenblüten und Fenchel auf. Es fand sich sogar ein Topf Honig, mit dem sie den Tee süßten.
Schwer atmend kletterte Roswitha zu Magdalena in den Wagenkasten. Dabei stieß sie mit dem Ellbogen gegen einen Tiegel mit Wundpaste und fing ihn überraschend geschickt auf. Ein getrockneter Strauß Eibischblätter, den sie vom Nagel riss, segelte derweil ungehindert zu Boden. Dicht aneinandergeschmiegt saßen die beiden Frauen beieinander.
Seit Stunden trommelte der Regen wieder stärker auf die Wagenplane. Lang würde dem selbst die dicke Wachsschicht nicht mehr widerstehen können. Teilnahmslos verfolgte Magdalena einen einzelnen Tropfen, der als erster durch den Stoff gedrungen war und sich anschickte, schwer und träge nach unten zu fallen. Bald würde die Nässe auch an den anderen dunklen Flecken auf der Leinwand ins Wageninnere dringen. Ein tristes Talglicht dampfte auf einer Truhe und verströmte seinen beißenden Geruch. Jeder Atemzug wurde dadurch vergällt.
Magdalena aber nahm das kaum wahr. Selbst die Kälte spürte sie nicht. Die Fingerknöchel färbten sich weiß, weil sie den Bernstein um ihren Hals starr umklammerte. Verzweifelt schluchzte sie auf.
»Was ist?« Roswitha erwachte aus ihrer Starre und sah sie an. Da warf sich Magdalena ihr in die Arme und weinte. Schließlich wischte sie sich schniefend über das Gesicht und setzte sich wieder aufrecht neben die Hebamme. »Alles ist misslungen! Was nützt es mir, dass Eric aus dem Lager flüchten konnte, wenn Elsbeth meine Carlotta verschleppt hat? Damit hat sie mir das Schlimmste angetan, was man einer Mutter antun kann. Wie soll ich das ertragen?«
»Wer sagt denn, dass sie mit der Kleinen wirklich weg ist?« Roswitha bemühte sich, überzeugend zu klingen. »Nur weil du sie am Nachmittag nirgendwo aufgetrieben hast, muss das nicht gleich das Schlimmste bedeuten. Schließlich war ihr Zelt völlig nass, auch hier in Meister Johanns Wagen hat sie sich nicht wohl gefühlt. Du kennst sie doch: Wahrscheinlich hat sie irgendeinen Mann überreden können, ihr ein gemütliches, warmes und vor allem trockenes Lager herzurichten. Morgen schon werden wir sie finden, da bin ich mir ganz sicher.«
»Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Dank ihrem tiefen Griff in Seumes Truhe hat sie genug Goldmünzen. Also hat sie irgendwen bezahlt, sie von hier wegzubringen. Mein Kind werde ich nie mehr wiedersehen! Seit Wochen schon hat sie es darauf angelegt. Immerzu will sie mir zeigen, dass sie die bessere Mutter ist, dass sie eigentlich das lebende und ich das tote Kind verdient habe.«
Roswitha ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Wollte sie nicht oben in der Stadt beim Sohn des Kommandanten wohnen? Gleich bei Tagesanbruch gehe ich
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