Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
ihr euch so vertraulich trefft? Mischst du ihm einen besonderen Trank, oder kredenzt du ihm spezielle Kräuter? Dass du stundenlang allein bei ihm in der Kammer hockst, ist mir nicht geheuer. Gestern war mir, als ziehe ein eigenartiger Rauch unter den Ritzen der Tür hindurch in den Gang. Bei der Rückkehr waren deine Pupillen ordentlich groß. Und der Vorrat an Mohnsamen in der Kiste scheint mir auch schneller zu schwinden, als er sollte.«
    »Da phantasierst du dir aber ganz schön was zusammen! Kehre du lieber vor deiner eigenen Tür und trink nicht so viel, sonst werden dir bald die Hände so zittern wie bei Meister Johann, als er den halbtoten Seume vor sich hatte. Du kannst von Glück sagen, dass außer mir noch keiner bemerkt hat, wie es um die vielgerühmten Künste der roten Magdalena inzwischen steht. Wenn du Pech hast, bleibt das nicht so. Und deine frisch entdeckte Liebe für den Branntwein werden die Schweden gewiss nicht allein mit deinem Kummer Carlottas wegen in Verbindung bringen. Gut möglich, dass sie es auch als Versuch werten, ihnen Schaden zuzufügen. Immerhin bist du hier, um ihre Wunden zu heilen, nicht, um deine zu lecken. Der Strick um den Hals wird noch das Mildeste sein, womit sie dir das vergelten.«
    2
    Elsbeth ging alles viel zu langsam. Jeden Tag kostete es sie mehr Kraft, ihre Ungeduld zu zügeln. Sie presste den Scheuerlappen fester auf die Holzdielen und schrubbte noch schneller, als gelte es, nicht nur dem Schmutz zu Leibe zu rücken, sondern die grau gewordenen Eichenholzplanken in jeder einzelnen Faser wieder hell zu bekommen. Das lenkte sie wenigstens davon ab, wie unnütz die Zeit verstrich. Längst hatte sie mit Eric und der kleinen Carlotta bei ihrer Tante Babette und deren Bruder in Köln sein wollen. Wo aber steckten sie stattdessen seit Wochen fest? Im Haus eines weltfremden Gelehrten in Würzburg! Der war ein guter Freund Erics und zollte ihnen nicht nur die übliche Gastfreundschaft, sondern sorgte auch dafür, dass Erics Kontakte zu anderen Freunden wieder auflebten.
    Als wäre ihr Grübeln ein Zeichen gewesen, drückte sich der Hausherr, ein spinnenartiges Männlein mit winzigen, flinken Augen hinter einer runden Brille, in diesem Augenblick eng an ihr im düsteren Flur vorbei.
    Den zahnlosen Mund zu einem Schmunzeln verzogen und den kahlen Schädel im Rhythmus seiner Bewegungen wiegend, stieß er dabei wie zufällig von hinten mit seinem Unterleib gegen ihren Hintern. Da sie sich gerade mit einem Scheuerlappen in der Hand über die Dielen beugte, ragte er ihm aufreizend entgegen. Elsbeth wandte ihm kurz den Kopf zu. »Verzeihung, mein Kind!« Seine dunkle Stimme flößte ihr ein behagliches Schaudern ein. Sie fühlte, wie es ihr warm im Leib wurde. »Bis später!« Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu und verschwand über die Treppe hinauf ins obere Stockwerk.
    Wieder einmal fragte sich Elsbeth, ob Eric sich auch über diese Seite seines Freundes bewusst gewesen war. Sie kam allerdings nicht dazu, länger darüber zu grübeln. Die Haustür schwang auf, und die bucklige Wirtschafterin kam mit einem prall gefüllten Korb herein. Zwischen gelben Rüben, Kohl und einer Handvoll schrumpeliger Äpfel steckten wie so oft ein Buch und eine Zeitung.
    »Hast du wieder einmal deine Groschen zum Buchhändler getragen.« Elsbeth stemmte die feuchten Putzwasserhände in die Hüften und sah der grauhaarigen Frau missbilligend entgegen. »Wenn du ähnlich viel Wert auf ein sauberes Haus und eine ordentliche Küche legen würdest wie auf deinen Lesestoff, wäre viel gewonnen.«
    »Viel gewonnen wäre auch, wenn du nur halb so viel putzen und dafür ein wenig mehr lesen üben würdest. Dann müsstest du mich nicht immerzu fragen, was sich in Münster und Osnabrück tut, sondern könntest dir selbst die neuesten Nachrichten besorgen.« Aufreizend wedelte sie mit einem Flugblatt durch die Luft, auf dem Elsbeth neben einer Zeichnung viele geheimnisvolle Buchstaben ausmachte. In der Tat war sie nicht in der Lage, die zu einem sinnvollen Wort zusammenzufügen. Dank Magdalena war sie bislang nie darauf angewiesen gewesen, das zu lernen, denn ihre Cousine hatte es gern für sie übernommen.
    »Als ob es darum ginge!« Zur Antwort wedelte Elsbeth den nassen Scheuerlappen durch die Luft, dass es spritzte. »Keine Sorge: Ehe du dich versiehst, Luise, besteigen Eric und ich mit der Kleinen einen Kahn und schippern den Main hinunter bis zum Rhein. Wie ich dich kenne, wird hier im Haus der alte

Weitere Kostenlose Bücher