Die Wundärztin
seine Leute wahrlich nicht, um sich derart tölpelhaft hinters Licht führen zu lassen. Wäre es dir also lieber gewesen, Strecker und seine Leute hätten dich ins Lager zurückgebracht und Seume übergeben? Wie es heißt, kocht er vor Wut auf dich, weil er sich bei euren Geschäften von dir übervorteilt glaubt. Jeder weiß, dass mit Seume nicht zu spaßen ist, wenn es ums Geld geht. Über Monate, so hat mir Strecker verraten, hast du Seume um Geld geprellt, ihm viel zu sauren Wein und verdorbenes Korn für viel zu hohe Preise geliefert. Kein Wunder, dass er dich zur Abschreckung für alle anderen Halunken aufknüpfen wollte. Aber sag es nur, wenn dir immer noch danach gelüstet, den Krähen zum Fraß ausgesetzt zu werden. Auch der Büttel hier in Würzburg wird Schurken wie dich gern abholen. Wird sich schon einer finden, der das mit dem Galgen hier ordentlich erledigt.«
Wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah im Stehen auf Eric hinunter. Bei jedem ihrer Worte war er tiefer in sein Lager gesunken. Noch war er deutlich gezeichnet von den schweren Verletzungen. Die unbequeme Fahrt mit dem holprigen Ochsenkarren, das tagelange Ausharren in feuchten Unterkünften und zugigen Unterständen hatten ihm schwer zugesetzt. Allein seiner ursprünglich kräftigen Konstitution war es zu verdanken, dass er die Strapazen überlebt hatte.
Vielleicht lag es daran, dass er sie so unverwandt anstarrte und nicht einmal mit der Wimper zuckte, als sie ihm die Möglichkeit eines so schrecklichen Endes vor Augen führte. In jedem Fall beschloss sie in diesem Moment, noch einen Schritt weiter zu gehen, etwas zu sagen, was ihn zutiefst verletzen musste. In ruhigem Ton fügte sie hinzu: »Und vergiss nicht, lieber Eric, dass dann bald auch deine geliebte Magdalena am Strick hängt. Es wird keine Woche dauern, und der Büttel findet sie. Damit machst du alles zunichte, was sie für dich riskiert hat. Sie ist bereit, ihr Leben für dich aufzugeben, die Feldscherei, das Ziehen im Tross, nicht zuletzt Meister Johann und Roswitha will sie für dich im Stich lassen. Kaum zu glauben, denn die beiden stehen ihr näher als die eigene Mutter. All das ist sie bereit zu opfern. Und für wen? Für einen Jammerlappen wie dich, der mir nicht glauben will, was die Stunde für ihn geschlagen hat! Ich bin schon gespannt auf ihr Gesicht, wenn man ihr eröffnet, wem sie das Scheitern ihrer kühnen Fluchtpläne zu verdanken hat.« Die Worte erzielten die beabsichtigte Wirkung. Beschämt senkte Eric den Blick.
»Ruh dich lieber aus, statt dich mit solch törichten Gedanken zu belasten«, riet sie ihm auf einmal sanftmütig. »Magdalena wird kommen. Strecker hat uns hoch und heilig versprochen, dafür zu sorgen, dass sie uns findet. Den Weg kennt sie. In Würzburg haben wir oft genug unser Winterquartier genommen. Wie gut, dass deine Leute und Strecker genug miteinander vertraut sind, um Nachrichten auszutauschen. Da kann nichts schiefgehen, außer dass Magdalena ein wenig länger braucht, als wir uns das in unserem sicheren Nest hier vorstellen, weil es wieder einmal im Spessart nicht vorangeht oder gleich im Taunus die ersten Wegelagerer lauern.«
Bevor er merken konnte, wie ihre Stimme bei der schamlosen Lüge bebte, beugte sie sich über ihn und richtete ihm geschäftig die Decke über der Brust. Sein Atem ging eine Spur zu schnell und zu laut, allmählich aber wurde er wieder ruhig. Sie bückte sich absichtlich dicht vor seinem Gesicht, um ihm wie zufällig den direkten Blick in ihren Ausschnitt zu ermöglichen.
Statt lüstern ihre Brüste zu bewundern, warf Eric ihr einen seltsamen Blick aus seinen tiefblauen Augen zu. Einen Moment meinte sie, einen Eispickel in ihrer Brust zu spüren. Unsinn!, schalt sie sich und richtete sich wieder zu ihrer vollen Größe auf.
»Verzieh dich ruhig wieder nach unten.« Sein Ton gefiel ihr ganz und gar nicht. So verletzend hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Ungerührt fuhr er fort: »Das Scheuern und Putzen hält dich zumindest davon ab, wieder huren zu gehen. Oder hast du etwa schon versucht, dein Mieder vor meinem Freund aufzuknöpfen? Spar dir die Mühe für empfänglichere Opfer. Sinnliche Freuden empfindet der nur beim Anblick eines wertvollen Buches! Nicht mal mit deinen Goldstücken, die du Seume gestohlen hast und jetzt unterm Rock trägst, kannst du ihn verzücken.«
3
Nach der Behandlung des Kroaten waren nur noch drei Patienten zu versorgen. Zwei hatten tiefe Stichverletzungen.
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