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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Branntweinschlauch, drückte ihn gegen ihre Brust und stürzte ohne ein weiteres Wort davon. Laut knallte die schwere Tür ins Schloss. Der Rahmen zitterte von der Erschütterung, selbst die Holzdielen am Boden schwangen eine Weile nach.
    Gedankenlos hob Magdalena den Verschluss an die Lippen, um sich einen wohltuenden Schluck zu gönnen. Doch dann hielt sie inne. War es nicht genau das, was Rupprecht wollte: dass sie mehr und mehr dem Alkohol verfiel und unfähig wurde, selbst die einfachsten Verrichtungen ohne seine Hilfe zu erledigen? Langsam ließ sie den Lederschlauch sinken. Als gelte es, die Umgebung zum ersten Mal richtig wahrzunehmen, sah sie sich im Refektorium um. Die Vormittagssonne tauchte den langgestreckten Saal in angenehmes Licht. Der gewaltige Eichenholztisch, auf dem sie die Patienten zur Operation betteten, beherrschte die Mitte des Raumes. Sauber gescheuert mit Seifenlauge und frisch eingelassen mit Öl, schien er aufnahmebereit für den nächsten Eingriff. Die Bänke der Mönche sowie der wuchtige Armlehnstuhl des Priors reihten sich sorgfältig gestapelt an der hinteren Wand entlang. Davor lagen noch ein halbes Dutzend Männer auf dünnen Matten direkt auf dem Dielenboden. Sie waren die Letzten aus dem Versehrtenzug, die noch regelmäßiger Pflege bedurften. Das stete Auf und Ab ihrer Leiber verriet, dass sie tief schliefen. Keiner von ihnen gab einen Laut von sich. Der Gestank nach Männerschweiß, den sie verströmten, wurde ihr erst jetzt richtig bewusst.
    Magdalena öffnete einen der Fensterflügel auf der Ostseite und sog gierig die frische Luft ein. Auf den nahen Wiesen am Mainufer wurde das Heu eingebracht. Der frische Geruch nach sattem Sommer erfüllte den Raum. Schon schwirrte eine Biene herein. Ihr verwirrter Tanz im staubigen Lichtstrahl amüsierte Magdalena. Erst nach einer Weile riss sie sich davon los. Höchste Zeit, mit der Krankenpflege zu beginnen. Gleich würde sie den Heilprozess der Wunden prüfen und die Verletzten mit frischen Verbänden sowie den eben angerührten Kräuterpflastern versorgen. Die Apotheke des Klosters war von der Plünderung weitgehend verschont geblieben, so dass sie über ausreichend Arzneien und Kräuter verfügten. Lediglich die Mennige ging rascher als üblich zur Neige. Meister Johann hätte seinen Spaß an den Vorräten. Wieder fragte sie sich voller Sorge, ob er und Roswitha zum Ziel von Seumes unberechenbarem Zorn geworden waren.
    Ohne der neuerlichen Versuchung zu erliegen, doch noch einen Schluck aus dem Branntweinschlauch zu trinken, begann sie, die benötigten Tiegel zu öffnen und die Kräuterblätter bereitzulegen. Die Beschäftigung lenkte sie ab. Ohnehin hielt die wohltuende Wirkung des Branntweins nie lange an. Immer rascher und unerbittlicher fraß sich dagegen der Schmerz über Carlottas Verlust in ihr Herz. Am schlimmsten war, dass ihr von Tag zu Tag deutlicher vor Augen trat, wie riskant es gewesen war, durch Erics Flucht das Schicksal derart herauszufordern. Was wusste sie schon, was in den letzten Jahren mit Eric geschehen und ob er des hohen Einsatzes würdig war?
    Als sie ein Büschel mit Johanniskraut in Händen hielt, meinte sie plötzlich Carlottas Stimmchen zu hören. Deutlich sah sie die fragend aufgerissenen Augen der Kleinen vor sich, wie sie die Hände nach ihr ausstreckte, um auf den Arm genommen zu werden. Warum hatte sie das aufs Spiel gesetzt? Und für wen? Hätte sie Eric seinem Schicksal überlassen, könnte sie ihr Kind jetzt in den Armen wiegen. Und nicht nur Carlotta wäre noch bei ihr. Unbehelligt lebte sie mit dem Feldscher und der guten Roswitha im Tross, zöge mit der Bagage der Kaiserlichen gen Bayern, täte das, was sie seit Jahren erfolgreich und gerne tat: dem Heer als Wundärztin dienen. Wenn sie wenigstens Nachricht hätte, was mit Meister Johann und Roswitha geschehen war!
    Hätte sie Eric bei Seume gelassen, wäre noch ein Menschenleben gerettet worden: Gottfried Strecker. Rupprecht hätte sich nicht als vermeintlicher Lebensretter geriert und besäße nicht das geringste Recht, dafür Dankbarkeit von ihr einzufordern. Ihr wurde übel, wenn sie daran dachte, dass Strecker kurz davor gewesen war, Elsbeths Pläne auszuplaudern. In ihrem Bauch rumorte es. Schwindel überkam sie. Wie gierte sie danach, die düsteren Gedanken loszuwerden! Am einfachsten ging das mit einem tiefen und befreienden Schluck aus dem Branntweinschlauch. Schon hatte sie ihn in der Hand, setzte ihn an die Lippen. Der Alkoholgeruch

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