Die Wundärztin
Magdalena war zufällig Zeuge der Auseinandersetzung geworden, aus der sie rührten. Zu dem Zeitpunkt musste sie sich auf dem Platz vor dem Kloster, wo gewürfelt und gespielt wurde, des aufdringlichen Grapschens eines Rotbärtigen erwehren. Ihre Geistesgegenwart rettete dem Franzosen und dem Italiener das Leben: Keiner von beiden war der Sprache des anderen mächtig. Deshalb hatten sie sofort die Messer gezückt, als sie über den Wert der Cavallkarte beim Tarock in Streit gerieten. »Zores, schofliges!« [1] , schimpfte ein Österreicher, der vergebens versuchte, zwischen ihnen zu vermitteln. »Du sollst Kappore wern!« [2] , verfluchte ihn der Franzose und zielte mit der Messerspitze plötzlich auf ihn. »Mich päkern scheft nicht kess, bloß grandig witsch!« [3] Der Österreicher sprang geschickt zur Seite und suchte Schutz hinter einem anderen Soldaten. Das reizte den Angreifer noch mehr. Wild fuchtelte er mit dem Messer durch die Luft, bis ihm der Italiener, der ursprünglich mit ihm gestritten hatte, die Klinge ins Gedärm stieß. Inzwischen hielt auch der Österreicher ein Messer in der Hand und verletzte den Italiener am Hals, gefährlich nah an der Schlagader.
Zwei Schweden, die die Szene nicht minder verblüfft beobachtet hatten als Magdalena, überwältigten ihn endlich. Rupprecht half ihr, die Wunden der beiden Schwerverletzten noch auf dem Platz zu versorgen. Wäre ihnen das nicht gelungen, wären die beiden verblutet. Als Magdalena nach vollbrachter Leistung wegging, zollten die Männer ihr aufrichtigen Respekt. Weder der Rotbärtige noch sonst einer streckte an diesem und den nächsten Abenden die gierigen Finger nach ihrem Busen aus.
Auch die Verbrühung, die Magdalena und Rupprecht wenig später zu versorgen hatten, war Folge einer Auseinandersetzung, die beim abendlichen Zusammentreffen der Männer ihren unrühmlichen Anfang genommen hatte: Zwei Männer hatten einen dritten mit dem brodelnden Inhalt eines Suppenkessels übergossen, weil sie meinten, ihn beim Falschspiel mit gezinkten Karten überführt zu haben. Im qualmenden Schein der Talglichter fiel es Magdalena und Rupprecht nicht leicht, sämtlichen Dreck aus den großflächigen Brandwunden an Brust und Rücken des Opfers zu entfernen. Alsbald warfen die Wunden Blasen, denen sie weder mit dick aufgetragenem Rosenöl noch mit Umschlägen aus sauren Milchklumpen oder Ziegenmilchrahm, vermischt mit ungelöschtem Kalk und Honig, beikommen konnten. Am übernächsten Tag erlag der mutmaßliche Falschspieler seinen Verletzungen. Auf Geheiß des Hauptmanns wurden die beiden Übeltäter zur Abschreckung an einem Baum am Waldrand nahe den Weinbergen aufgeknüpft. Raben hatten ihnen die Augen ausgepickt, noch bevor die Dunkelheit anbrach. Und auch andere Vögel warteten nicht lang, sich an dem Fleisch gütlich zu tun. Bei den Männern des Versehrtenzugs zeigte das Vorkommnis Wirkung. Die Abende auf dem Spielplatz verliefen fortan friedlicher.
Magdalenas Arbeit im Lazarett beschränkte sich in den nächsten Tagen vor allem auf die Pflege des armoperierten Kroaten sowie auf die Behandlung von mehreren Zahnschmerzpatienten, denen sie einen Aufguss mit Betonie zum Gurgeln verordnete. Denselben Tee bereitete sie auch denjenigen, die mit verdorbenen Mägen und Durchfall zu ihr kamen. So mancher Soldat nutzte die Lazarettbesuche allerdings schamlos, um sie unter dem Vorwand von Gliederreißen oder Schwindel in den Hintern zu kneifen oder ihren Busen zu drücken, wenn nicht gar noch zudringlicher zu werden. Doch Magdalena wusste sich zu wehren. Ein gezielter Tritt in die empfindlichen Weichteile genügte meist, die Männer zur Räson zu bringen.
Da von einem Tag auf den anderen diese Art von Besuchen abrissen und die Patienten, die sich noch in das provisorische Spital im Refektorium wagten, tatsächlich behandlungsbedürftige Beschwerden aufwiesen, vermutete sie, dass Rupprecht den Hauptmann darüber in Kenntnis gesetzt hatte. Auch außerhalb des Spitals gingen die Soldaten auf respektvolle Distanz zu Magdalena, und das, obwohl sie im Kloster die einzige Frau unter mehr als hundert Männern war. Je weniger Patienten zu ihr kamen, desto seltener wurde im ehemaligen Refektorium Alkohol zum Betäuben der Patienten und zum Auswaschen der Wunden benötigt. Ohnehin hatte der Branntweinvorrat auf wundersame Weise nie abgenommen. Wann immer Magdalena die Truhen und Kisten mit dem Verbandszeug, den Salben und Tinkturen an der hinteren Wand durchsah, stets stieß
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