Die Wundärztin
entgangen? Ich bin kein einfältiger Mönch, der geschworen hat, den weiblichen Reizen zu entsagen. Gerade damals in Freiburg, in diesem besonderen Sommer, in dem wir zum letzten Mal alle zusammen waren, bist du mir doch gewiss nicht zufällig so oft über den Weg gelaufen. Jeden Tag aufs Neue haben sich unsere Bahnen gekreuzt, habe ich deine herrlichen blonden Haare in meiner Nähe erspäht.«
Die Finger seiner rechten Hand vergruben sich in einer ihrer Locken und zwirbelten sie sanft. Sie schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Gelangte sie nun endlich an das Ziel ihrer geheimen Wünsche? Geschah nun das, worauf sie seit Jahren wartete, was sie sich aber bislang nicht einmal selbst hatte eingestehen wollen?
»Dass du dich dann an Rupprecht gedrängt hast, weil ich nur Augen für Magdalena hatte, habe ich auch bemerkt.«
Gegen ihren Willen überflutete heiße Röte ihr Gesicht. Sie schlug die Augen auf und sah in sein amüsiertes Gesicht. Oh, dieser Schuft! Schon holte sie aus, um ihm doch noch eine Ohrfeige zu verpassen, da packte er ihr Handgelenk und drückte zu, bis es schmerzte. Hastig wollte sie aufspringen und davonstürmen. So schnell aber ließ er sie nicht fort. Denn es stimmte: Es ging ihm bereits viel besser. Er lag nur noch im Bett, um sie zu täuschen.
Fest packte seine linke Hand ihren Oberschenkel, und er sprach gnadenlos weiter: »Was glaubst du, was ich mit dir vorhabe? Ganz gewiss nicht das, was du dir erhoffst! Frauen wie dich interessieren mich nicht. Was mich aber brennend interessiert, ist, wo Magdalena bleibt. Sag schon! Du weißt es doch! Warum ist sie nicht längst aufgetaucht, wie du es mir versprochen hast?«
Ohne ihr Zeit zu einer Erwiderung zu geben, fuhr er fort: »Dass du so grausam sein kannst und Carlotta so lange von ihrer Mutter trennst! Jeden Tag vermisst die Kleine ihre Mutter mehr.«
»Wir alle vermissen sie!«, brauste sie auf und erhob sich. Verärgert rieb sie sich die Arme und trat ans Fenster. Eric durfte nicht sehen, wie gedemütigt sie sich fühlte. Da keimte eine Idee in ihr. »Was denkst du, wie ich mich um meine Cousine sorge!«, sagte sie, während sie sich umwandte. Die Sonne wärmte ihr angenehm den Rücken. Ihr Gesicht lag im Schatten, so dass er es schwer haben würde, in ihrer Mimik zu lesen. Das erleichterte das Lügen. »Sofort, nachdem das Regiment aufgebrochen ist und sie ihre Aufgaben dort erledigt hat, wollte Magdalena nachkommen. Allerdings ist der Weg durch den Taunus nicht ungefährlich, ganz zu schweigen von den Gefahren, die im Spessart lauern. Jeden Morgen und jeden Abend flehe ich zur Heiligen Jungfrau Maria, dass sie die Arme beschützt. Eine Frau allein unterwegs in Zeiten wie diesen, das ist nur mit dem allerhöchsten Beistand möglich.«
»Ach, verschone mich mit deinen Lügen!« Flinker, als Elsbeth ihm zugetraut hätte, richtete sich Eric vollends von seiner Lagerstatt auf und sah sie vorwurfsvoll an. »Und untersteh dich, dich auf Heilige zu berufen, von denen du nie mehr als den bloßen Namen gehört hast. Echter Glaube ist dir genauso fremd wie echte Gefühle. Denkst du, ich habe nicht begriffen, welches Spiel du treibst? Nur um Rache geht es dir, blinde Rache an Magdalena und mir! Du kannst es einfach nicht ertragen, dass wir einander wiedergefunden haben und uns noch immer lieben. Noch dazu, wo auch unser gemeinsames Kind lebt. Dabei kann die Kleine am allerwenigsten etwas dafür, dass dir nicht das gleiche Glück vergönnt ist. Wenn du wenigstens Carlotta raushalten würdest!«
Einen Moment hielt er inne, um seiner Empörung Herr zu werden. Dann sprach er weiter: »Magdalena hat dich nie gebeten, mich aus der Höhle wegzuschaffen, das ist mir längst klargeworden. Du hast ausgenutzt, dass ich viel zu schwach war, um einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, um mich gegen dich zu wehren. Dennoch wäre ich niemals mit dir mitgekommen, erst recht hätte ich mich nicht von dem fetten Strecker und seinen Leuten auf den Karren legen und wegfahren lassen, wenn du mir nicht hoch und heilig versichert hättest, Magdalena wolle das so!«
Elsbeth hatte sich gezwungen, ihn bis zum Ende anzuhören. Doch dann brach sich ihr Zorn Bahn: »Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, in welcher Gefahr du geschwebt hast? Hätten Seumes Knechte dich finden und noch in derselben Nacht am nächsten Baum aufhängen sollen? Der Trug mit dem falschen Toten, den Magdalena ausgeheckt hatte, war längst aufgeflogen. So dumm sind Seume und
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