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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Innenhöfe der Anlage waren menschenleer. Von jenseits der Mauern schwappten fröhliche Musik und muntere Stimmen herüber. Aus Respekt vor der Heiligkeit des Ortes, die selbst den lutherischen Schweden bewusst war, lag der Platz zum Würfeln und Spielen jenseits der Tore.
    Magdalena fühlte sich von der Fröhlichkeit magisch angezogen. Zu düster waren die vergangenen Stunden bei dem Verletzten im Refektorium gewesen, zu groß die Gefahr, dass sie deswegen am Ende doch wieder Trost im Branntwein suchte. Auch wenn die Männer auf dem Spielplatz in ihrer Trunkenheit gern aufdringlich wurden, war ihr Wunsch nach Ablenkung größer als die Angst, belästigt zu werden. Also lenkte sie ihre Schritte dorthin. Obendrein faszinierte es sie, dem flinken Würfeln der Soldaten zuzuschauen. Vielleicht ließ sich doch eine Regelmäßigkeit im Fallen der Zahlen beobachten.
    Der Platz vor den Toren des Klosters lag größtenteils noch in der Sonne. Die Wärme tat gut, ebenso der freie Blick in die Umgebung. Erleichtert atmete Magdalena auf. Auf den nahen Weinbergen, die sich direkt hinter den Klostermauern bis hinauf zur trutzigen Marienfeste zogen, tanzte das Abendsonnenlicht. Ein sanfter Wind strich zärtlich über das Laub. Gelegentlich wechselte das Grün der Blätter schon ins Gelb, Rot oder gar Braun des bevorstehenden Herbstes.
    Magdalena gesellte sich zu einer Gruppe Männer, die auf einem umgedrehten Weinfass ihre hellen Würfel warfen. Bereitwillig machten sie ihr Platz, damit sie besser sehen konnte. Der Sprache nach waren es vor allem Deutsche und Österreicher, die mit den knöchernen Würfeln ihr Glück herausforderten. Die wenigen Welschen, Kroaten und Ungarn fielen dagegen kaum ins Gewicht. Auch die Schweden waren in dem Versehrtenzug in der Minderheit. Das bunte Hin und Her der letzten Kriegsjahre hatte dazu geführt, dass sogar gefangengenommene Soldaten freiwillig bei dem alten Feind weiterdienten. Das war bei den Schweden nicht anders als bei den kurfürstlich bayerischen und kaiserlichen Regimentern.
    »Na, meine Schöne, suchst du nicht doch mal einen Gefährten für die Nacht? Ich hätte dir was Ordentliches zu bieten.« Ein fast Zahnloser grinste sie an, dem Zungenschlag nach ein Wiener. Provozierend fasste er sich an den Hosenlatz. Sein Nachbar stieß ihm den Ellbogen in die Seite und sagte zu ihr: »Vergiss den alten Sack. Seit der Dom am Stephansplatz steht, steht bei dem schon gar nichts mehr. Komm mit zu mir, mein Schatz. Bei mir brennt noch echtes Feuer! Da erlebst du, was feurige Liebe ist.«
    »Pass du lieber auf, dass dir nicht gleich was anderes brennt.« Brüsk versetzte sie ihm einen Schubs, dass er Richtung Feuer torkelte. Seine Kameraden brachen in schallendes Gelächter aus. Zwar hatten nicht alle ihren Wortwechsel verstanden, doch die Gestik war eindeutig gewesen. Plötzlich knallte ein Pistolenschuss, und einer der Gehilfen des Hauptmanns kam heran. »Elende Hundsfotte! Ihr kapiert wohl immer noch nicht, dass ihr die Finger von ihr lassen sollt. Oder wollt ihr so enden wie die zwei, die letztens drüben am Baum gehangen sind? Könnt ihr gern haben. Sagt es nur rechtzeitig!«
    Murrend drehten sich die Männer ab. Manch einer erklärte einem anderen, der des Deutschen nicht mächtig war, was der Mann gesagt hatte. Die meisten aber verstanden es auch so. Ganz auf rasche Ablenkung bedacht, widmeten sie sich wieder dem Spiel. Unauffällig wanderte Magdalenas Blick über die Gesichter. Die meisten der Soldaten hatten vor kurzem erst das Refektorium verlassen. Die Verletzungen, die sie während des Gefechts vor Amöneburg erlitten hatten, waren Magdalena fast vertrauter als die Männer selbst. Der Dank, den sie ihr dafür zollten, stand vielen noch ins Gesicht geschrieben. Eine Rauferei mit Messern so wie letztens wollten sie wohl kaum erneut riskieren. Beruhigt wandte sich Magdalena wieder dem Treiben mit den Würfelbechern zu.
    Im schwindenden Tageslicht war die Markierung auf den knöchernen Würfelflächen kaum mehr zu erkennen. Die Vorräte an Talglichtern und Fackeln aber gingen schnell zur Neige. Deshalb durften sie erst bei Anbruch völliger Dunkelheit entzündet werden. Die Männer störten sich nicht an den unzureichenden Sichtverhältnissen. Jeden Wurf kommentierten sie mit lautem Rufen und Schulterklopfen. Als einer der Würfel herunterfiel, fluchte ein spitzbärtiger Österreicher lauthals, während ihn ein anderer mit langen, schwarzen Locken auf Italienisch zurechtwies. Blindlings

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