Die Wundärztin
übrigens auch berichtet, was sich nach diesen Übergriffen noch ereignet hat. Interessiert Euch das, oder ist es Euch einerlei, dass eine alte Wehmutter beim Abzug der Kaiserlichen zufällig unter die schweren Räder eines Geschützes geraten ist? Muss ein entsetzliches Bild gewesen sein. Trotzdem soll sich ein nicht minder alter Feldscher daran versucht haben, sie zu bergen. Der ganze Zug geriet darüber ins Stocken. Erst mehreren Bewaffneten gelang es, ihn von der Halbtoten wegzuziehen. Die Krähen werden sich über den Leckerbissen gefreut haben.«
Hört auf!, wollte Magdalena schreien. Fassungslos starrte sie auf Rupprecht. Ihm war nicht anzumerken, ob er das bereits gewusst hatte oder nun ebenfalls als Neuigkeit erfuhr. Der Schmerz fraß sich quer durch ihre Eingeweide. Allein der Wille, sich vor dem Hauptmann keine Blöße zu geben, hielt sie davon ab, in lautes Klagen und Weinen über Roswithas furchtbaren Tod auszubrechen. Als sie abermals das spöttische Zucken um die Mundwinkel des Hauptmanns wahrnahm, wusste sie, wie sie ihn packen konnte. »So gut Eure Kundschafter im kaiserlichen Heer sind, so nachlässig ist wohl Euer Mönch hier im Kloster. Oder steckt Absicht dahinter? Es sollte Euch zu denken geben, wie unzuverlässig er Euch über die Vorgänge im Refektorium unterrichtet.«
»Was wollt Ihr damit sagen?« Der Spott wich aus seiner Miene. Unwillig zog er die rechte Augenbraue hoch und knetete abermals seine Fingergelenke.
»Was den Zustand Eures kroatischen Freundes anbetrifft, hat er wohl etwas Wichtiges unterschlagen.« Unauffällig tastete sie auf ihrem Mieder nach der Erhebung des darunter verborgenen Bernsteins. Fortan musste er ihr Kraft spenden, Roswithas Tod zu verarbeiten. Tief atmete sie ein und aus, dann erklärte sie: »Ich war es, die den Arm Eures Freundes abgenommen hat. Wenn ich mich recht erinnere, habt Ihr vorhin von mir als der besoffenen Wundärztin gesprochen. Doch keine Sorge: Der Eingriff verlief ohne Schwierigkeiten. Sogar der Branntwein hat gereicht, allerdings diente er allein zur Betäubung des Patienten. Ihr könnt gern meinen Atem prüfen, um Euch von der Wahrheit meiner Aussage zu überzeugen. Die Wunde heilt übrigens hervorragend.«
»Wie könnt Ihr das wissen? Seid Ihr von Sinnen, den Patienten allein zu lassen?« Über seinem Zorn zog sich auch die zweite Augenbraue steil nach oben. Seine harte Aussprache verstärkte den Vorwurf.
»Bevor ich das Refektorium verlassen habe, hat mir der Mönch versichert, für das Wohlergehen des Patienten Sorge zu tragen. Mir schien er vertrauenswürdig genug, ihm das zu glauben. Sein Auftauchen bei Euch zeigt jedoch, dass ich mich getäuscht habe. Deshalb werdet Ihr mich nun entschuldigen. Ich gehe lieber zu meinem Patienten zurück und wache ab sofort selbst bei ihm.«
6
Mit zunehmender Trägheit verbrachte Elsbeth die Tage im Haus des gelehrten Doktor Mattes. Schmal ragte es unweit der Würzburger Franziskanerkirche nahe dem Mainufer auf. Der immer gleiche Ablauf erfüllte sie bald mit Unlust, weiterhin emsig herumzuwirbeln und zu wirtschaften. Die spätsommerliche Hitze tat ein Übriges, die Faulheit zu befördern. Elsbeths Sorge, nicht schnell genug aus Würzburg fortzukommen, schwand. Schließlich sorgten auch die lustvollen Nächte mit dem Hausherrn dafür, dass es ihr dort nicht schlecht gefiel.
Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang vergrub sich das unscheinbare Männlein in der düsteren Stube, in der die Regale vom Boden bis zur Decke mit staubigen Büchern angefüllt waren, und studierte, was andere vor langer Zeit an Weisheiten und Lebenseinsichten über Himmel, Sterne und Erde auf das Papier gebannt hatten. Morgens, mittags und abends stellte ihm die bucklige Luise eine Schale mit Haferbrei oder wässriger Suppe hin, die er, ohne dafür die Lektüre zu unterbrechen, am Pult stehend löffelte. Nur wenn er dreimal die Woche zur nahe gelegenen Universität musste, verließ er für wenige Stunden seine Bleibe. Sonst strich er lediglich dann durchs Haus, wenn er hoffte, Elsbeth allein zu erwischen und in eine kleine Nische zu drängen, um verbotene Dinge mit ihr zu tun, die die Vorfreude auf die gemeinsame Nacht steigerten.
Sosehr Doktor Mattes sich an ihrer Anwesenheit erfreute, so wenig nahm er wahr, was sie alles tat, um dem erbärmlichen Zustand seines Haushalts zu Leibe zu rücken. Kein einziges Wort des Lobes oder gar Dankes für das umtriebige Putzen, Aufräumen und Werkeln kam ihm über die Lippen. Stattdessen
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