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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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nicht unter die Röcke gehe.« Herausfordernd fasste er sie am Kinn und zog es so dicht heran, dass sie seinen Atem auf der Nase spürte. Um seine Mundwinkel zuckte es spöttisch. »Dabei bist du diejenige von uns beiden, die täglich mit weit verrutschtem Mieder durch die Gassen scharwenzelt und neue Liebesabenteuer sucht. Als ob du nachts nicht schon genug auf deine Kosten kämst! Du kriegst wohl den Hals nicht voll von Geld und von Männern, was? Lass wenigstens die Kleine hier, wenn du dir draußen männliche Kundschaft holst.«
    Wie gern hätte sie ihm auf seine Unverschämtheit mit einer Ohrfeige geantwortet. Doch so gut kannte sie ihn inzwischen, dass sie wusste, worauf er es anlegte. Böse funkelte sie ihn aus ihren blauen Augen an und befreite sich durch eine energische Kopfbewegung aus seinem Griff. Aufreizend strich sie sich das lange blonde Haar zurück, bevor sie erwiderte: »Gräme dich nicht so arg, weil dir das Geld für eine Hure fehlt. Gerade schwemmen so viele Flüchtlinge herein, dass die Franzosenkrankheit wieder umgeht. Sei also froh, dass du keine Gelegenheit hast, dir auch das noch einzufangen. Wäre schade, wo es doch endlich ein wenig besser mit deinen Blessuren wird.«
    Nun war es an ihm, ihr ob der unerwarteten Schlagfertigkeit einen verwunderten Blick zuzuwerfen. Er rang sich zu einem Lächeln durch, setzte sich den breitkrempigen Schlapphut auf und tippte zum Abschied mit dem rechten Zeigefinger an den Rand. Sie zögerte nicht lang, sondern schlang sich ein Brusttuch um und folgte ihm. Schon im Laufen band sie sich Luises von Motten zerfressenes Tuch um den Kopf. Die Schultern hochgezogen, den Oberkörper vorgebeugt, kam sie sich bald selbst wie die verhasste Wirtschafterin vor. Hoffentlich hausten in dem Kopftuch keine Läuse. Seit ihrer Ankunft in der Stadt war sie die Plagegeister durch das regelmäßige Auswaschen der Haare mit Essigwasser endlich losgeworden. Den Zustand wollte sie gern beibehalten. Befand man sich auf Wanderschaft mit dem Tross oder einem Händler, wurde man in der Regel binnen weniger Tage von den ungebetenen Tierchen bevölkert.
    Trotz der frühen Morgenstunde und des überraschend eisigen Windes waren bereits viele Menschen in den engen Gassen unterwegs. Es war nicht leicht, den großgewachsenen, rotblonden Eric im Blick zu behalten. Elsbeth musste auf sicheren Abstand achten, denn sie selbst war ihrer ungewöhnlichen Größe und der blonden Haare wegen, die unter dem Kopftuch hervorlugten, eine auffällige Erscheinung. Es bestand die Gefahr, dass er sie beim flüchtigen Umherschauen entdeckte. Da sie mit dem Heer schon oft im Winter in Würzburg gelagert hatte, kannte sie die Stadt gut genug, sich rechtzeitig in einer Nische verbergen oder hinter einem Baum Schutz finden zu können.
    Doch Eric, der kräftig ausschritt, achtete nicht darauf, ob ihm jemand folgte. Er eilte am rückwärtigen Teil des Domes vorbei die Straße weiter hinauf. Kurz vor Erreichen eines ausladenden Platzes schwenkte er nach links in eine Straße, die leicht bergab führte. Fast meinte sie schon, er führte sie absichtlich falsche Wege und Gassen, um sie loszuwerden. Immer wieder suchte er Abkürzungen durch einen Hof oder eine schmale Gasse, bis er schließlich den Garten eines großen Gasthauses betrat. Neben der Remise befand sich eine Tür. Die öffnete er und verschwand im Innern des Hauses.
    Vorsichtig betrat Elsbeth wenige Minuten später ebenfalls die Gaststätte. Drinnen konnte sie zunächst nicht viel erkennen. Die niedrige Decke mit den rußigen Balken und die mit Vorhängen abgeschirmten Fenster sorgten dafür, dass in der Gaststube nahezu finstere Nacht herrschte. Als Elsbeth Umrisse unterscheiden konnte, erkannte sie schließlich, dass Eric sich zu einer Gruppe Männer im hinteren Teil der Stube gesellt hatte. Sie hockten auf einer hufeisenförmigen Bank um einen runden Tisch. In der Nähe des Tisches trennte ein senkrechter Holzbalken den Raum vom vorderen Teil ab.
    Dahinter postierte sie sich, um zu hören, was die drei Männer, der prächtigen Kleidung nach Kaufleute oder Gelehrte, in jedem Fall Angehörige einer besseren Schicht, zu bereden hatten. Eric, dessen ärmliches Gewand sich deutlich abhob, sagte wenig. Seine Körperhaltung deutete an, dass er einzig darauf erpicht war, von den anderen Neuigkeiten zu erfahren.
    Anscheinend hatte einer der Herren gerade aufregende Nachrichten erhalten. Seinen Wissensvorsprung gegenüber den anderen kostete er aus. Bedächtig

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