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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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stürzten beide Männer zu Boden, um des kostbaren Stücks dort als Erster habhaft zu werden. Ein Rotblonder, offensichtlich der einzig echte Schwede unter ihnen, zog sie an den Kragen wieder hoch und fuhr sie in seiner eigenen, hart klingenden Sprache an. Wahrscheinlich gehörte er zum abkommandierten Begleitkorps des Geschädigtenzugs und hatte von daher das Recht, für Ordnung zu sorgen. Kleinlaut lenkten die Spieler ein und setzten sich wieder um das Fass.
    Nach einer Weile verlor Magdalena die Lust, dem immer gleichen Ablauf von Sieg und Niederlage zuzuschauen. Also ging sie ins Gebäude zurück. Sie wollte noch ins eigentliche Spital des Klosters. In einem der Nebenräume hatte sie am Vortag eine Kiste mit Kräutern sowie ein kleines Buch mit handgeschriebenen Rezepturen entdeckt. Leider war noch keine Gelegenheit gewesen, den Schatz an sich zu bringen. Jetzt, da der ehemalige Apothekermönch bei den Patienten im Refektorium wachte, war ein guter Zeitpunkt, das zu tun.
    Laut hallten ihre Schritte auf dem Steinboden. Der Kreuzgang des ehemaligen Benediktinerklosters wirkte düster und geheimnisvoll. Der rote Sandstein, aus dem die gesamte Anlage errichtet war, schien nahezu schwarz. Umso heller hoben sich davor die Grabplatten ab, die entlang des Kreuzgangs aufgestellt waren. Wind und Wetter, die ungehindert in den halboffenen Gang eindrangen, hatten die Inschriften glatt geschliffen. Sogar manche der Figuren, die einst die Platten geschmückt hatten, waren zerbrochen oder verwittert. Dem reichen Zierat an den Wänden schenkte Magdalena kaum Beachtung. Auch den weiter vorn weghuschenden, dunklen Punkt nahm sie zunächst kaum wahr, obwohl er doch von beträchtlicher Breite war. Möglich, dass er Ähnlichkeit mit dem dicken Apothekermönch aufwies, dachte sie kurz. Sie hielt an und sah angestrengt den Gang entlang, blickte jedoch niemanden. Der Mönch würde wohl kaum den frisch operierten Kroaten im Refektorium allein lassen. Sie musste sich getäuscht haben. Kopfschüttelnd ging sie weiter.
    Aus einer der ehemaligen Mönchszellen, die sie im oberen Stockwerk passierte, drangen aufgeregte Männerstimmen. Noch bevor sie sie erreichte, verstand sie einzelne Worte. Bei einem der Männer handelte es sich um Rupprecht, das hörte sie gleich. Anscheinend verteidigte er sich gegen massive Vorwürfe. Seine Stimme klang schrill und aufgeregt. Deutlich sah sie vor sich, wie der zierliche Kerl in solchen Situationen mit dem Rücken zur Wand stand, seine Arme weit ausgebreitet, die schmächtigen Schultern hochgezogen, die dunklen Augen unter den buschigen Augenbrauen aufgerissen, und versuchte, einen anderen allein durch die Kraft der Worte von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen. »Wie oft soll ich es noch sagen? Ich habe alles getan, den Arm Eures Freundes zu retten. Die Kugel war rasch herausgezogen, die Wunde gesäubert und glatt genäht. Nichts hat darauf hingedeutet, dass es zum Wundbrand kommen würde. Mehrere Tage sind vergangen, ohne dass es ihm schlechter ging. Im Gegenteil. Gestern Abend war er kurz davor, vom Lager aufzustehen. Meine Gehilfin hat ihn gewissenhaft gepflegt. Er hatte kein Fieber, erst recht keinen Wundbrand. So glaubt mir doch endlich!«
    »Wie kommt es dann, dass ihm der Arm abgenommen werden musste? Weißt du, was ein Mann ohne seinen rechten Arm anfängt? Dass du sein Fieber nicht bemerkt hast, ist mir ein Rätsel. Geglüht hat er, dass man Wasser auf seinem Leib hätte erhitzen können. Inzwischen ringt er mit dem Tod. Schon hadere ich mit mir, was ich ihm eher wünschen soll: die rasche Erlösung aus diesem irdischen Jammertal oder die Rückkehr ins Leben. Ohne den rechten Arm wird das Leben nur Elend und Hilflosigkeit bringen.«
    Die tiefe Stimme hatte einen fremden Klang. Wahrscheinlich gehörte sie dem Hauptmann, um dessen Gunst Rupprecht sich seit ihrer Festsetzung durch die Schweden bemühte. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland beherrschte der Fremde die Sprache offensichtlich sehr gut, behielt aber dennoch die harte Aussprache bei. Die Worte wirkten abgehackt.
    »Das ist einfach nicht wahr.« Rupprecht klang resigniert. »Wer hat denn behauptet, der Arm hätte unbedingt abgenommen werden müssen?«
    »Der frühere Apothekermönch des Klosters war gerade bei mir. Ich hatte ihn gebeten, ein besonderes Auge auf meinen Burschen zu werfen. Obwohl er Kroate ist, dient er mir seit langem treu und redlich und ist mir zum wahren Freund geworden. Es wäre ein herber Verlust

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