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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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zupfte er sich den spitzen Kinnbart und zwirbelte die Enden, bevor er mit seinem Bericht begann, dem die anderen aufmerksam lauschten. »Die ersten Schweden haben den Lech überschritten, wie mir meine Kundschafter melden. Bis zur Isar wollen sie in diesem Herbst noch vordringen, natürlich das stolze München vereinnahmen. Der Kurfürst und seine Gefolgschaft haben sich deshalb eiligst nach Wasserburg verzogen, wie es heißt. Sollen die Schweden dem guten Maximilian das Leben im eigenen Land nur weiter schwermachen, ihn, wenn es sein muss, auch bis weit hinter den Inn zurückdrängen! Schade ist es nicht um ihn. Lang genug hat er dafür gesorgt, dass unsereins von Freund und Feind geplagt wurde.«
    Mit ausgestreckten Armen stützte er sich von der Tischkante ab und lehnte sich weit nach hinten. Seine Augen waren dunkel. »Es heißt außerdem«, fuhr er fort, »dass die Franzosen vom Elsass südostwärts ziehen. Damit bleibt unsere Gegend bis auf weiteres von Söldnerheeren verschont.«
    »Das wochenlange Lager oben bei Amöneburg hat uns wirklich gereicht. Lasst uns also die Verschnaufpause genießen!« Ein dunkelbärtiger Mann mit rundem Nasenzwicker hob seinen Krug. »Wenn wir Glück haben, bringen die Bauern also doch noch ungestört die Ernte ein. Dann ist der Winter gerettet.«
    »Vergesst nicht«, warf der Spitzbärtige ein, »dass sie auf dem Zug quer durch den Taunus und den Spessart ordentlich gewütet haben. Es wird nicht viel an Feldfrüchten zu erwarten sein.«
    »Daran tragen aber weniger die Schweden als die Kaiserlichen Schuld.« Der Dunkelhaarige rückte den Zwicker auf der schmalen Nase zurecht. »Wären von Werth und die anderen Feldherren sich mit ihren Leuten über die Vorgehensweise einig gewesen, hätten die Kaiserlichen nicht all die Wochen vergebens dort gelegen und das Land verwüstet. Am Ende mussten sie unverrichteter Dinge abziehen.«
    »Uns kann es nur recht sein. Damit ist Hagen Seume endlich aus dem Spiel. Mit ihm Geschäfte zu machen ist nicht eben erfreulich. So sind wir ihn los und können wieder unter uns abwickeln, worin er sich sonst immer gern eingemischt hat.« Wieder rieb sich der Spitzbärtige das Kinn.
    »Dafür hat er den Quartiermeister aus dem Weg räumen lassen. Ihr seht also, mein guter Grohnert, Ihr seid nicht der Einzige, der dem verehrten Profos beim Geldscheffeln in die Quere gekommen ist.« Der Dunkelbärtige legte dem neben ihm sitzenden Eric den Arm um die Schultern. Elsbeth meinte, von ihrem Versteck aus zu erkennen, wie blass Eric über diesen Worten geworden war. Sie selbst spürte einen dicken Kloß im Hals, wenn sie sich vorstellte, welch bitteres Ende der gutmütige Strecker gefunden hatte. Trotz seiner Unersättlichkeit war ihr der Dicke ans Herz gewachsen. Seume dagegen hatte sie nicht nur seiner Grobheit wegen nie gemocht.
    »Was ist mit dem Quartiermeister?«, hörte sie Eric heiser fragen.
    »Seume hat wohl die Wirren des Truppenabzugs genutzt und den armen Strecker erschlagen lassen. Kein Wunder, der wusste einfach zu gut über seine Machenschaften Bescheid.« Bei diesen Worten beugte sich der Spitzbärtige wieder vor und strich mit der flachen Hand über die Tischplatte, als wollte er sie polieren.
    »Das verstehe ich nicht. Die beiden waren seit Jahren miteinander im Handel.« Eric schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Da gibt es nichts zu verstehen, mein Lieber«, sagte der Spitzbärtige. »Ihr wart auch seit Jahren mit Seume im Geschäft, und trotzdem wollte er Euch auf einmal an den Kragen. Seid einfach froh, dass Ihr den Fängen dieses unberechenbaren Mannes noch einmal entwischt seid. Wie es heißt, sollen zwei ausgezeichnete Wundärzte aus dem Tross verschwunden sein, ein dritter, etwas älterer, wurde übel zugerichtet, so dass er kaum noch arbeiten kann. Seume ist darüber so in Wut geraten, dass er behauptet, der Alte hätte sich absichtlich selbst massakriert, und die beiden anderen hätten den Mord am Quartiermeister begangen. Weil er sie unbedingt wiederhaben will, hat er eine ordentliche Belohnung auf ihre Ergreifung ausgesetzt.«
    Ohne dass die beiden es merkten, reckte Eric den rotblonden Kopf. Die Anspannung auf seinem Gesicht war selbst in der düsteren Gaststube deutlich zu erkennen. Hell leuchteten seine Augen. »Wisst Ihr Näheres über diese beiden?« Seine Stimme klang schrill. Anscheinend merkte er das selbst, hielt kurz inne, schluckte und sprach mit gepresster Stimme weiter: »Wo sind sie hin?«
    »Was interessiert Euch das?«

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