Die Wundärztin
Der Dunkelbärtige musterte ihn fragend und zwinkerte mehrmals hinter dem runden Brillenglas. »Wollt Ihr nicht lieber wissen, wie viel Seume die Ergreifung der beiden wert ist? Wie ich gehört habe, stellt er eine erkleckliche Summe in Aussicht.«
Der Spitzbärtige ging sogleich mit erhobenem Zeigefinger dazwischen: »Sofern man sich darauf verlassen will, dass er die auch tatsächlich zahlt. So wie ich ihn einschätze, wird er tausend Ausflüchte finden, am Ende die Summe schuldig zu bleiben. Großmut war noch nie eine seiner hervorragenden Eigenschaften. Also, mein lieber Grohnert, zieht diese Möglichkeit des Geldverdienens lieber gar nicht erst in Betracht.« Damit lehnte er sich zurück und rieb sich die riesigen Hände, als friere ihn. Eric ließ ihn nicht aus den Augen. Deutlich spürte Elsbeth, dass der Mann noch mehr über die Geschichte zu sagen hatte, sich aber offensichtlich gern bitten ließ.
Der Brillenträger dagegen redete ungefragt weiter: »Die beiden Wundärzte werden gewiss rasch Unterschlupf finden. Wundärzte sind gesuchte Leute, die sind heutzutage überall willkommen. Jedermann hat ein paar Wunden und Beschwerden zu pflegen. Kein Wunder, dass Seume der Verlust von drei ausgezeichneten Feldschern schwer trifft. Die Schweden zum Beispiel würden sich gewiss freuen, wenn sie der beiden Flüchtenden habhaft werden. Haben die sie dann erst mal in ihren Fängen, wird man sie so schnell nicht wiedersehen.«
»Euer Kundschafter kennt die Angelegenheit genauer«, wandte Eric sich ein weiteres Mal an den Spitzbärtigen. »Was hat er Euch noch gesagt?«
»Die Sache lässt Euch wohl keine Ruhe, was?« Der Angesprochene zupfte an seinem gepflegten Bart und verzog die Lippen zu einem Schmunzeln, so dass zwei blinkende, zu groß geratene Schneidezähne dazwischen hervorblitzten. Eric nickte leicht. Gut verbergen konnte er seine Anspannung nicht. Elsbeth erging es in ihrem Versteck nicht anders. Noch ehe der Mann ein Einsehen hatte und Eric durch die Fortsetzung seines Berichts erlöste, wusste sie, worauf die Geschichte hinauslaufen würde: Bei den beiden Wundärzten handelte es sich zweifellos um Magdalena und Rupprecht. Gut möglich, kam ihr in den Sinn, dass nicht einmal Seume selbst, sondern Magdalena in ihrer Unberechenbarkeit den Quartiermeister auf dem Gewissen hatte. Oder Rupprecht, weil er der Cousine wieder einmal hatte beistehen wollen.
»Stimmt, Ihr wart lange genug in Seumes Tross«, setzte unterdessen der Spitzbärtige seinen Bericht fort. »Gut möglich, dass Ihr die beiden kennt. Ein Mann und eine Frau sollen es sein. Er mit schwarzen, sie mit roten, lockigen Haaren. Beide auffallend klein und sehr geschickt in ihren Fähigkeiten. Die rote Magdalena wird die Frau wohl deshalb ehrfürchtig in Söldnerkreisen genannt. Sind die Euch mal begegnet?«
Ein schriller Ton entfuhr Elsbeth. Hastig schlug sie die Hand vor den Mund und lauschte mit klopfendem Herzen, ob die anderen sie gehört hatten und aus ihrem Versteck ziehen würden. Doch nichts geschah. Alle warteten gespannt, was es noch an Nachrichten über die Feldscher gab.
»Seid vorsichtig, mein lieber Freund, und vergesst die Geschichte mit dem Lösegeld lieber gleich wieder. Aus verlässlicher Quelle wurde mir zwar zugetragen, dass ein Versehrtenzug der Schweden in einem Kloster im Maintal lagert, wahrscheinlich gar nicht weit von hier. Doch Vorsicht ist angebracht. Niemand weiß Genaueres. Man vermutet, dass sie bald nach Ansbach weiterziehen, um in den nächsten Wochen zu ihren Truppen zu stoßen. Doch selbst wenn Ihr auf die Spur der beiden Wundärzte gelangen solltet, wird Euch das nichts nutzen. Sie zu ergreifen und an den Profos auszuliefern wird Euch nicht helfen. Wenn Ihr Euch wieder in Seumes Nähe wagt, blüht Euch am Ende nur Unheil. Noch einmal wird Euch das Schicksal nicht gnädig sein und Euch vor ihm retten. Die paar Goldstücke, die Ihr mit einem wie ihm verdient, sind es nicht wert, dass Ihr dafür Euer Leben ein zweites Mal riskiert.«
»Keine Sorge«, beruhigte Eric ihn mit bemüht fester Stimme und erhob sich von seinem Platz. Seine Hände zitterten, als er nach seinem Hut griff. »Mit Seume will ich ganz gewiss nichts mehr zu tun haben. Jemanden an ihn auszuliefern steht nicht in meinem Sinn, selbst wenn es der größte Schurke vor dem Herrn sein sollte. Seume wird ihn immer noch um ein gutes Stück an Frechheit übertreffen.«
7
Eric schien sehr angespannt, als er spätabends in der Küche auftauchte. Weil er
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