Die Wundärztin
schüttelte den Kopf. Schließlich erhob er sich und ging in dem düsteren Verlies auf und ab. »Hast du nicht gehört, was er vorhin gerufen hat?«
»Eben deshalb rege ich mich so auf! Ich will nicht dafür herhalten müssen, dass er seinen Freund in den letzten Wochen schändlich im Stich gelassen hat und es erst erkennt, wenn es zu spät ist.«
»Ob du das willst oder nicht, spielt nun wahrlich keine Rolle: Noch ehe der Tag vorbei ist, wird es uns an den Kragen gehen, weil der Kroate aus dem Fenster gesprungen ist. So wütend habe ich den Hauptmann noch nie erlebt.«
»Du scheinst ihn inzwischen ja bestens zu kennen.« Sie bemühte sich, ihn das Misstrauen nicht spüren zu lassen, das sie ihm gegenüber empfand. »Aber das nützt dir jetzt auch nichts mehr. Er jedenfalls hält es dir nicht zugute, dass du so viel Zeit bei ihm verbracht und ihn mit Mohn und sonstigen Rauschmitteln versorgt hast.«
»Was willst du damit sagen? Stört es dich etwa?« Dicht stellte er sich vor sie hin. Sie roch seinen angststarrenden Atem und wandte sich ab.
»Mich wundert, dass du dich in deinem Urteil über ihn so getäuscht hast«, sagte sie matt. »Dein Versuch, dich bei ihm anzubiedern, ist also gescheitert. Schade um die Mühe.«
»Was heißt hier, ich hätte mich bei ihm angebiedert?« Selbst in der Dunkelheit funkelten Rupprechts Augen zornig. »Deinetwegen, nur deinetwegen habe ich das getan. Ja, ich habe ihm von dem Mohnextrakt gebracht, auch von dem Hanfsamenöl sowie von dem Mutterkorn. Du kannst dir selber denken, was er damit anstellt. Mir ist es gleich. Was für mich zählt, ist, dass ich ihn so für mich und damit letztlich auch für dich eingenommen habe. Du hast ja keine Ahnung, wie nah du schon am Abgrund gestanden bist! Und wie ich ihn davon zu überzeugen versucht habe, dass du eine hervorragende Wundärztin bist. Mit Engelszungen habe ich auf ihn eingeredet, ihm von all deinen Heldentaten erzählt. Von Anfang an warst du ihm nicht geheuer, nicht nur deiner roten Haare wegen. Etwas muss ihn an dir abgestoßen haben. Kein Wunder, dass er nach dem Unglück mit dem Kroaten gleich wieder das Böse in dir sieht.«
Abschätzig ließ er seinen Blick über ihre schmale Gestalt gleiten. Es war ihr, als berühre sie eine Eisspitze. Dann drehte er sich abrupt um und nahm sein unstetes Umhergehen wieder auf.
»Ach? Und wie kommt das?« Ihre Stimme wurde schrill. »Manchmal habe ich den Eindruck, du hast alles getan, mich bei dem Schweden anzuschwärzen.«
»Bringst du da nicht etwas durcheinander?« Dicht vor ihr baute er sich auf und schnaufte ihr aufgebracht ins Gesicht. »Denk doch mal darüber nach, wie der Hauptmann dich erlebt hat: Erst warst du zu nichts zu gebrauchen, weil du dem Branntwein so eifrig zugesprochen hast. Wie ein unzurechnungsfähiges Tier hast du dich gebärdet. Dann aber ist es dir schlagartig gelungen, vom Branntwein zu lassen und seinen kroatischen Freund auf wundersame Weise vom Fieber zu retten. Das hat ihn erst recht misstrauisch gemacht. Immer wieder habe ich versucht, ihn davon zu überzeugen, dass das alles nichts mit Hexerei zu tun hat. Aber die Idee, in dir eine böse Zauberin zu sehen, scheint ihn nicht mehr loszulassen.«
»Pah! Was heißt hier Hexerei und böse Zauberin?« Sie wandte sich ab. »Wir sind Feldscher, da gehört es nun mal dazu, dass man Menschenleben rettet, wenn sich die Gelegenheit bietet. Und die Geschichte mit dem Branntwein, den man mir ständig zugespielt hat, sollten wir noch bereden. Ganz von ungefähr kam das wohl nicht, dass ich so viel getrunken habe. Nie ist der Vorrat ausgegangen, jeden Tag lag aufs Neue ein prall gefüllter Schlauch bereit. Das kann kein Zufall gewesen sein. Da wollte mich jemand absichtlich in den Abgrund stürzen.«
Er senkte den Blick. War das ein Schuldeingeständnis? Ihr wurde flau. Sie mochte nicht glauben, dass er dahintersteckte. Wenn er sie hätte zugrunde richten wollen, hätte er das lange vorher schon einfacher haben können. Etwa, als sie beide allein auf dem Felsvorsprung standen, von dem er Strecker hinabgestürzt hatte, angeblich, um sie vor ihm zu retten. Das Schweigen zwischen ihnen wurde bleischwer.
»Die Schweden können von Glück sagen, dass wir ihnen so kurz hinter Amöneburg in die Hände gefallen sind«, ergriff sie schließlich wieder das Wort. Es beschäftigte sie noch etwas anderes an der Geschichte. »Fähige Feldscher hatten sie bitter nötig. Ohne uns hätte der Hauptmann nicht mit den Versehrten
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