Die Wundärztin
hierher ins Kloster gehen können. Daran aber lag ihm viel. Denk nur daran, wie vehement er auf seine Feldherren eingeredet hat. Dabei waren die Verletzten nicht in einer derart schlechten Verfassung, dass sie dem Regiment nicht mehr hätten folgen können. Hat er dir nie etwas über seine wahren Absichten verraten? Was war mit den beiden Reitern, die letztens hier aufgetaucht sind und unter der Linde so geheimnisvoll mit ihm geredet haben? Das waren doch Kundschafter, nicht wahr?«
»Was?« Erstaunt sah Rupprecht sie an. Schon wollte sie zur Erklärung etwas weiter ausholen, da fuhr er ungeduldig auf: »Vergiss das alles am besten sofort wieder. Jetzt geht es um etwas ganz anderes. Wie auch immer du es drehst: Wir beide sind am Ende. Der Hauptmann hat den Oberbefehl über den Versehrtenzug. Damit kommt ihm der Rang eines Profos zu. Also wacht er allein über Recht und Ordnung, klagt an und fällt auch das Urteil. Wie du seinen Freund behandelt und ob oder wie du ihn gerettet hast, interessiert ihn nicht. Der Kroate ist aus dem Fenster gesprungen, hat sich also selbst in den Tod gestürzt. Darüber macht sich der Hauptmann jetzt seine Gedanken. Jossip war katholisch. So einer setzt seinem Leben nicht einfach selbst ein Ende, wie verzweifelt er auch sein mag. Da müssen böse Kräfte gewirkt haben.«
Zum ersten Mal den Namen des Kroaten zu hören, noch dazu aus Rupprechts Mund, versetzte ihr einen Stich. Wieder spürte sie den eindringlichen Blick, sah die gebräunte junge Haut des Kroaten vor sich, roch den Duft, der ihn umgab. Alles andere trat weit dahinter zurück, als wäre es nicht geschehen. »Du hast es also gewusst?«
»Was habe ich gewusst?« Unwillig versuchte er, sich an ihr vorbeizudrücken und sein zielloses Hin-und-her-Laufen wieder aufzunehmen.
Entschlossen packte sie ihn am Arm. »Die ganze Zeit hast du seinen Namen gekannt.«
»Was ist schon dabei?« Rupprecht zuckte mit den Schultern. »Was ändert es, wenn du seinen Namen weißt? Er war dein Patient, hat einen Arm verloren und im Fieber schlecht geschlafen. Ob er nun Jossip heißt oder nicht, das bleibt sich gleich.«
»Nichts bleibt sich gleich, und das weißt du genau!« Zornig stampfte sie mit dem Fuß auf, kämpfte mit aller Kraft gegen die aufsteigenden Tränen. »Durch seinen Namen wird ein Mensch zu etwas ganz Besonderem, Unverwechselbarem. Jetzt ist er nicht mehr der Kroate, sondern Jossip. Das bedeutet viel mehr.«
»Ich verstehe nicht, was du damit meinst. Dir wird vorgeworfen, jemanden verhext zu haben, ob er Jossip heißt oder nicht. Wenn du Pech hast, brennst du dafür auf dem Scheiterhaufen. Darüber solltest du nachdenken, nicht, ob er Jossip oder Kasimir oder Igor heißt.«
»Du willst es nicht begreifen.« Abrupt ließ sie ihn los, trat zwei Schritte zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust. Da war noch etwas, was sie hatte hellhörig werden lassen. Nach einem tiefen Luftholen drehte sie sich ihm wieder zu: »Wer hat dir seinen Namen verraten? Der Hauptmann, nicht wahr? Was hat er dir noch verraten, was du mir nicht sagen willst? Welche Geheimnisse habt ihr beiden Tag für Tag miteinander ausgetauscht? Ihm ging es nicht um die verbotenen Kräuter und Öle. Er hatte etwas ganz anderes im Sinn. Kennst du auch seinen Namen? Was weißt du über ihn? Wahrscheinlich nicht viel. Der Hauptmann ist schließlich ein kluger Mann. Dem kann keiner so leicht etwas vormachen. Deshalb ist ihm auch klar, was er tun muss, um an sein Ziel zu gelangen. Was hast du ihm also von dir und mir erzählt, wenn ihr beim Rauchen so vertraut zusammengehockt habt?«
Fassungslos, dass er immer noch keine Reaktion zeigte, baute sie sich dicht vor ihm auf. »Rupprecht!«, rief sie, als er weiter schwieg. »Das ist ein Schwede, ein stinkender, gottloser Heringfresser aus dem hohen Norden, Lutheraner noch dazu! Dieses ganze Getue mit dem Vorwurf der Hexerei ist nur ein Vorwand. Der hat etwas ganz anderes im Sinn. Wie kommst du dazu, so einem zu vertrauen?«
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11
Die Stunden verrannen. Magdalena spürte das Vergehen der Zeit daran, dass ihr zierlicher Körper allmählich zu Eis erstarrte. Aus ihrem Innern war alle Wärme entwichen. Die Hoffnung, Carlotta jemals wiederzufinden, schwand mit jedem Tag, jedem Augenblick, jedem Atemzug. Nach Roswithas Tod bestand nicht einmal mehr die Aussicht, dass irgendwer Verständnis und Trost für ihren Verlust aufbringen würde. Verzweiflung übermannte sie. Statt draußen wenigstens etwas tun zu können,
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