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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sie es allerdings nicht. Es waren nicht allein seine Augen, die sie an Eric denken ließen. Die Art, den Kopf zu bewegen, sich beim Sprechen zu geben, das alles faszinierte sie in ähnlicher Weise wie bei ihrem verlorenen Geliebten.
    »Mein Halstuch, wo ist mein Halstuch?«, fragte er in die Stille hinein.
    »Hier!«, antwortete sie wie aus einem Traum erwachend und ging zu ihrer Kiste mit den Arzneimitteln. Dort verwahrte sie die rote Halsbinde, als handelte es sich um einen kostbaren Schatz. »Ich habe es dir abgenommen, damit du dir während deiner Fieberkrämpfe nicht die Luft damit abschnürst.«
    »Hättest du lassen sollen. Wäre guter Tod gewesen.« Erschrocken verharrte sie mit dem Tuch in der Hand auf dem halben Weg zu ihm. »Warum? Warum hast du geholfen? Warum du hast mich nicht sterben lassen? Bin nur nutzloser Krüppel, zu nix zu gebrauchen. Nicht mal Halstuch kann ich knoten.« Angewidert schlenkerte er den dick verbundenen Armstumpf durch die Luft. Die heftige Bewegung verursachte starke Schmerzen. Er biss sich auf die Lippen und wandte den Kopf ab. »Bestimmt Hauptmann hat mich vergessen. Ein anderer wird sein Pferd pflegen.«
    »Sag das nicht. Einen Arm zu verlieren ist immer noch besser, als zu sterben.« Vorsichtig ließ sie sich neben ihm nieder. Der Duft des Rosenöls, mit dem sie ihm Umschläge gegen das Fieber bereitet hatte, hing über seinem Körper. Sie beugte sich vor, um ihm das rote Tuch um den Hals zu binden, und strich die Zipfel nach dem Verknoten sorgfältig glatt. Er ließ es geschehen, ohne sie anzusehen. Schließlich griff sie nach seiner linken Hand und streichelte den Handrücken, während er langsam auf die Matte zurücksank. Selbst im schummrigen Tageslicht sah sie, wie feucht seine Augen schimmerten. Eine Woge des Mitleids überflutete sie. Am liebsten hätte sie ihn fest an sich gedrückt und ihn in den Armen gewiegt, wie sie auch die kleine Carlotta stets getröstet hatte. Bei dem Gedanken stiegen ihr gleichfalls Tränen in die Augen.
    »Um das Pferd des Hauptmanns zu versorgen, reicht dir auch eine Hand«, tröstete sie, sobald sie sich die Wangen trockengewischt hatte. »Du wirst sehen, wie rasch du zurechtkommst. Bald wirst du dich fragen, wozu man überhaupt zwei Hände braucht. Jetzt aber musst du erst einmal zu Kräften kommen. Der Hauptmann fragt jeden Tag ungeduldig nach deinem Befinden.«
    Erstaunt blickte er sie an. Wieder fiel ihr auf, wie jung er war, höchstens so alt wie sie, wenn nicht gar ein, zwei Jahre jünger. Die Bartstoppeln kaschierten die junge Haut auf seinen Wangen. Einzig die Sonne hatte sie trocknen und dadurch ein wenig altern lassen. Sicherlich rasierte er sich für gewöhnlich jeden Morgen, wie die Offiziere es ebenfalls taten, und stutzte auch das wellige Haar regelmäßig. Erst das Krankenlager der letzten Wochen hatte die Pflege unterbrochen. Zwei Narben oberhalb der ausgeprägten, breiten Wangenknochen verrieten, dass er sich anfangs bei der Rasur recht ungeschickt angestellt haben musste. Seine Miene verfinsterte sich wieder. Zornig rief er: »Warum er kommt nicht? Hauptmann könnte selbst nach mir sehen.«
    Beschämt senkte sie den Blick. Warum nur hatte sie ihn auf diese Unstimmigkeit aufmerksam gemacht? Gleichzeitig spürte sie Zorn in sich aufsteigen. Der Kroate hatte es verdient, dass sein Offizier sich besser um ihn kümmerte. Mehr als einmal schon hatte sie sich gefragt, warum der blonde Schwede mit der abgehackten Redeweise entgegen seiner zur Schau gestellten Fürsorge nie im Refektorium auftauchte, um sich persönlich vom Genesungsprozess des kroatischen Freundes zu überzeugen. »Bin gleich wieder da!«
    Noch bevor der Kroate gegen ihr Vorhaben protestieren konnte, lief sie hinaus, um den Hauptmann zu rufen.
    Der Gang war ebenfalls in tristes Licht getaucht. Die zum Innenhof offene Seite des Kreuzgangs spendete kaum Helligkeit. Zu viele graue Wolken bedeckten den Himmel. Ein eisiger Lufthauch pfiff zwischen den Säulen hindurch. Irgendwo quietschte ein Scharnier, wahrscheinlich eine Tür, die nicht richtig geschlossen war. Ansonsten herrschte unheimliche Stille. Nur in der Ferne waren Stimmen und geschäftiges Treiben zu vernehmen. Es hatte den Anschein, die Reisevorbereitungen wurden so getroffen, dass sie im Refektorium möglichst nichts mitbekamen. Wozu diese Heimlichkeit?
    Magdalenas Herz klopfte bis zum Hals. Beunruhigt horchte sie an der Zellentür des Hauptmanns. Als sich dahinter nichts regte, drückte sie die Klinke und

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