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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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war es mucksmäuschenstill. Die Bediensteten waren mit den ursprünglichen Besitzern geflohen, und der Onkel exerzierte vermutlich mit seinen Rotten draußen vor dem Wall oder vergnügte sich mit Hagen Seume und den anderen Offizieren bei einem Gelage. Elsbeth genoss es, in Ruhe durch die Räume im Erdgeschoss zu schlendern. Wie gern spielte sie Bürgersgattin und probierte das Leben in einem solchen Anwesen aus! Anders als Magdalena war sie das unstete Umherziehen im Tross gründlich leid. Auch als Eheweib würde sie Gelegenheit finden, sich weiter zu vergnügen. Dafür standen ihr dann aber auch noch andere Annehmlichkeiten zu. Außer einem eigenen Kind, das sie mit Liebe überschütten würde, wünschte sie sich nichts mehr als ein Dasein als brave Ehefrau an der Seite eines soliden Handwerkers oder Kaufmanns.
    Ihre Finger fuhren über eine Anrichte aus schwarzem Kirschholz, rückten eine Schale aus buntem Glas zurecht und wischten den Staub von einem silbernen Leuchter. Die intakte Einrichtung des Gebäudes verriet, dass der Besitzer, ein wohlhabender Kaufmann, vor dem Eintreffen der Kaiserlichen Hals über Kopf geflohen war. Offenbar verdankte er seinen lohnenden Geschäftsverbindungen nicht nur die reichen Besitztümer, sondern auch die schnelle Fluchtmöglichkeit. Nur die wenigsten, dafür sicherlich wertvollsten Stücke seines Besitzes hatte er mitgenommen. Gemälde und Teppiche sowie Geschirr und Krüge aus Zinn, die er zurückgelassen hatte, waren Ausdruck seines unermesslichen Reichtums.
    Gern malte Elsbeth sich aus, ihm leibhaftig gegenüberzutreten. Ihre anmutige Erscheinung würde ihn verleiten, sie zum Bleiben aufzufordern. Wenn er auch verheiratet sein mochte, so würde sie als seine heimliche Geliebte nicht minder gern in seinem Haus wohnen. Versunken in ihre Träume, ging sie in die Wohnhalle. Jedes Mal wenn sie an den Regalen mit Zierat vorüberkam, musste sie sich beherrschen, nicht eines der Stücke an sich zu bringen. Wie viele Gulden ließen sich wohl für dieses bunte Gefäß aus Glas oder die zierlich bemalte Schale aus Ton erzielen?
    Längst hätte sie ihr Säckchen, das sie stets am Gürtel unter dem Rock mit sich trug, ordentlich füllen können. Auch in der Küche und im Keller gab es genug Dinge, die sie unbemerkt hätte wegschaffen können. Wenigstens eine kleine Entschädigung für das ihr vorenthaltene Glück als anständige Bürgersfrau sollte sie sich beschaffen. Gestern aber hatte die Tante sie wie aus heiterem Himmel gewarnt, ob zufällig oder weil ihr doch etwas aufgefallen war, ließ sich nicht feststellen. Vielleicht rührte es auch von dem Ärger, den Magdalena ihr durch das Techtelmechtel mit Eric eingebrockt hatte. Sollte Babette Elsbeth beim Stibitzen erwischen, würde sie sie fortschicken. Zu oft, so behauptete die Tante, hätte Elsbeth sie bereits bestohlen. Als ob die Speckseiten und das Weißzeug, das Babette letztlich selbst irgendwo hatte mitgehen lassen, groß ins Gewicht fielen! Viel zu viel hatte die Tante in den letzten Tagen schon zu den Marketendern geschleift. Dabei gehörte ihr nichts in diesem Haus rechtmäßig. Trotz der Wut über die Ungerechtigkeit hatte Elsbeth beschlossen, sich künftig zu beherrschen und nichts mehr heimlich zu verscherbeln. Von Babette fortgeschickt zu werden – was das hieße, malte sie sich jeden Abend aus: das Dasein im Hurenlager am anderen Ende des Trosses, fernab von jeder Möglichkeit, schnell wieder zu rechtschaffenen Regimentsangehörigen wie Onkel und Tante, Cousine und Feldschergehilfe Rupprecht zurückzukehren. Warum nur musste sie seit Jahren dieses erbärmliche Dasein als lästige Nichte fristen und immer brav schlucken, wenn die Tante sie ermahnte?
    »Elsbeth?« Ungeduldig rief Babette durchs Haus. Wie hatte sie nur wieder gehört, dass sie gekommen war? »Wo steckst du?« Das klang sehr verärgert. Elsbeth beeilte sich, nach oben zu kommen.
    »Willst du so enden wie meine missratene Tochter?« Ihre Tante wartete gar nicht erst ab, bis sie wieder zu Luft gekommen war, sondern stapelte gleich die verdreckten Windeln auf ihren Armen. »Das gehört ordentlich ausgekocht. Oder soll ich das etwa alles allein machen? Möchte wissen, was in euch gefahren ist, mich hier allein zu lassen. Es ist unglaublich. Weder meine Tochter noch meine Nichte scheren sich darum, dass ich die nötige Ruhe im Wochenbett habe. Denkt ihr, die Aufregungen um den Kleinen gehen spurlos an mir vorüber?« Demonstrativ hob die Tante die Hand an die

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