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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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mag.« Der Meister warf ihm einen gereizten Blick zu. Auf einmal sprach er wieder klar und deutlich.
    Magdalena nahm den mit Extrakten von Mohn, Alraunen und Bilsenkraut getränkten Schwamm vom Nachbartisch. Ohne ein weiteres Wort reichte sie ihn Rupprecht, damit er ihn dem Mann auf Nase und Mund drückte. Das würde dem Patienten die Sinne noch stärker benebeln als der Branntwein, so dass Meister Johann sich unbehelligt von Schmerzensschreien und Aufbäumen dem zerschossenen Bein widmen konnte.
    »Ich glaube, wir können das Bein retten.« Als wäre seine Aufgabe am Kopf des Verwundeten beendet, schlenderte Rupprecht zu Meister Johann und Magdalena. »Schaut: Der Knochen liegt zwar frei, aber Muskeln und Sehnen sind nur wenig zerrissen. Das lässt sich gut wieder zusammenflicken, vor allem, wenn einer so geschickt ist wie du, Meister. Wahrscheinlich wird er zwar den Fuß nicht mehr bewegen können, aber ein steifer Fuß ist allemal besser als gar keiner.«
    Regelrecht besessen schien Rupprecht von der Idee, so dass er gar nicht wahrnahm, wie wütend der Feldscher ihn ansah. Schon schwollen ihm die Adern an den Schläfen. Das ohnehin schon rotverschwitzte Gesicht färbte sich noch dunkler. Magdalena fasste sich ein Herz und sagte so unbekümmert wie möglich: »An den Rändern sieht die Wunde aber gar nicht gut aus. Das Licht hier drinnen ist viel zu schlecht, als dass wir es wagen sollten, die Wunde unter diesen Umständen zu säubern. Du weißt, Rupprecht: Wenn wir etwas übersehen, was herausgeholt werden müsste, stirbt uns der Mann spätestens morgen elendiglich am Wundfieber. Nein, der Meister hat recht: Das Bein muss ab. Besser, er überlebt mit einem Bein, als dass er mit beiden stirbt.«
    »Schön, dass du mir zustimmst, mein Kind.« Der Zorn des Feldschers war nicht zu überhören. »Statt so kluge Reden zu schwingen, soll Rupprecht mir lieber endlich eine Laterne holen.«
    Er gönnte seinem Gehilfen keinen Blick. Bevor Rupprecht widersprechen und die überflüssige Diskussion fortsetzen konnte, versetzte Magdalena ihm einen Schubs, damit er der Anweisung nachkam. Rasch schlang sie zum Abbinden des Blutflusses ein Leinen um den Oberschenkel des Patienten. Während sie auf Rupprechts Rückkehr warteten, prüfte der Feldscher ein letztes Mal sorgfältig, wo er die Säge ansetzen wollte. Endlich kam Rupprecht mit einer Laterne zurück.
    »Halt die Lampe weiter nach unten, sonst sehe ich nichts.« Langsam begann der Meister mit der Arbeit. Magdalena presste die Lippen zusammen und warf sich quer über den Patienten, um ihn niederzudrücken. Sicher wäre es geschickter gewesen, Rupprecht an ihren Platz zu lassen und selbst dem Meister zu leuchten. Nun war es dafür zu spät. Schon bewegte Meister Johann die Säge gleichmäßig auf und ab.
    »Verdammt!« Abrupt hielt er inne, nahm die Säge von der rechten in die linke Hand und knetete die klammen Finger. Vorsichtig richtete Magdalena sich auf. War es ihm doch zu viel? Bang sah sie zu Rupprecht, dessen Gesicht im Lichtschein der Laterne starke Zweifel am Verhalten des Meisters verriet. Nicht auszudenken, wenn er jetzt versagte! Ähnliches schien auch der Feldscher selbst zu denken. Er fluchte. Hastig hauchte er in die Hand, um die Finger aufzuwärmen und beweglicher zu machen. Dann ging es endlich weiter. Blut spritzte ihnen entgegen, Knochen knirschten, der Leib auf dem Tisch bebte und zitterte. Im Delirium gab der Mann ein seltsames Stöhnen von sich. Magdalena konzentrierte sich ganz darauf, den Körper unten zu halten. Von der Anstrengung schwollen ihr die Ohren zu. Bald hörte sie nichts mehr von dem Schreien und Brüllen um sich herum. Dafür ging es bei Meister Johann schneller und leichter mit der Säge. Schließlich war es vollbracht. Dumpf fiel der nunmehr nutzlose Unterschenkel zu Boden. Der Feldscher ließ die Säge sinken. Rasch sprang sie ihm zur Seite, den Stumpf zu versorgen. Rupprecht stellte die Lampe ab und reichte ihr die Nadeln. Nun war es an Meister Johann, die Haut über den Schnitt zu ziehen, damit sie die beiden Wülste zusammenflicken konnte. Erschöpft betrachteten sie schließlich ihr Werk.
    »Er lebt!«, stellte sie nach einem Blick zum Tischende fest. Rupprecht hob nur kurz den Kopf, schien aber keine Freude über die gelungene Operation zu empfinden. Offenbar wurmte es ihn noch immer, dass seine Einschätzung so schnell verworfen worden war.
    »Gut gemacht!« Meister Johann trug ihm nichts nach, sondern legte ihnen beiden die

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