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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sie sich ins Gebüsch erbrach. »Was soll das?« Kaum hatte sie aufgehört zu würgen, tauchte Eric neben ihr auf. Schwer atmend richtete sie sich auf, strich sich das schweißnasse Haar aus dem Gesicht und sah ihn an. Den breitkrempigen Filzhut drehte er ungeduldig in der einen Hand, fuhr sich mit den Fingern der anderen durch das störrische rotblonde Haar. Grimmig musterte er sie. Noch nie waren ihr seine blauen Augen so kalt erschienen. Sie fröstelte. Ihre zittrigen Finger kriegten die Zipfel des Umhangs kaum zu fassen, um ihn eng um die Brust zu ziehen. Auf einmal fühlte sie sich seltsam klein neben ihm, dabei überragte er sie nur um eine knappe Kopflänge.
    »Was soll schon sein? Schlecht ist mir geworden. Kein Wunder, bei den Wegen.« Verächtlich wies sie mit dem Kinn auf die Straße. Der Dauerregen der letzten Wochen hatte dem Boden stark zugesetzt, mehr als knöcheltief waren die randvoll mit Wasser gefüllten Rillen. Der Durchzug eines großen Regiments nebst Tross hatte tiefe Spuren hinterlassen, ein eindeutiges Zeichen, dass sie sich auf demselben Weg befanden, den auch die Wrangelschen Truppen nach Süden eingeschlagen hatten. Lediglich die Tatsache, dass sie weit und breit die Einzigen zu sein schienen, die dem Heer hinterherzogen, war befremdlich. Sonst begaben sich oft große Gruppen zu Fuß oder mit Karren ins Schlepptau der Regimenter. Im Schutz der Bewaffneten ließ sich eine Gegend erreichen, wo es den Menschen besserging, oder zumindest als Marketender und Huren etwas Geld verdienen.
    »Was beschwerst du dich? Soweit ich mich erinnere, bist du selten so vornehm gereist.« Eric fasste sie am Arm und zog sie noch ein Stück von den anderen weg. Im selben Moment wurde ihr klar, warum: Der Karren hinter ihnen knirschte bedenklich. Schon rutschten die hoch aufgetürmten Kisten und Fässer zur Seite. Der Fuhrmann fluchte, weil Carlotta in seinen Armen zappelte und schrie. Niemand befreite ihn von dem Kind, dabei musste er dringend etwas tun, das Umstürzen des Wagens zu verhindern. Die anderen Männer waren indes damit beschäftigt, den unruhig gewordenen Ochsen zu halten und den Wagen durch Dagegenstemmen ihrer kräftigen Schultern an der linken Seite abzustützen. Die Reiter stiegen von ihren Rössern und begannen, Holz und Steine unter die Räder zu schieben, um zu verhindern, dass sie noch tiefer ins Erdreich einsanken.
    Unentschlossen, ob er ihnen helfen, dem Fuhrmann Carlotta abnehmen oder aber bei Elsbeth bleiben sollte, verharrte Eric letztlich weiter neben ihr. »Was ist?«, herrschte er sie an. »Hockst wie eine Madame auf dem Karren und musst keinen Schritt zu Fuß gehen. Trotzdem passt es dir nicht. Willst du lieber laufen? Das kannst du gern haben. Bilde dir aber nicht ein, dass wir deinetwegen auch nur einen Schritt langsamer gehen. Bis heute Abend wollen wir die Gegend um Rothenburg erreicht haben. Da sammeln sich die Schweden, heißt es. Irgendwann müssen da auch die Versehrtenzüge eintreffen. Wenn wir weiterhin so langsam sind, wird das noch ein langer Tag.« Ohne Vorwarnung ließ er sie los und eilte zu den anderen. Flink nahm er Carlotta entgegen, brachte das Kind zu Elsbeth und half dann, den Wagen zu entladen. Mit vereinten Kräften konnten die Männer ihn endlich aus dem Loch ziehen.
    Als hätte sie ähnlich Anstrengendes geleistet, sank Elsbeth erschöpft auf einem Baumstumpf nieder. Krämpfe schüttelten sie. Sie brachte nicht einmal mehr die Kraft auf, die Kleine auf ihren Schoß zu ziehen. Also ließ sie es geschehen, dass sie sich im Morast zu ihren Füßen suhlte und, munter vor sich hin brabbelnd, allerhand Getier in einer kleinen Pfütze begutachtete. Elsbeth schritt nicht einmal ein, als die Kleine einen dicken schwarzen Käfer zum Mund hob.
    »Es geht weiter!« Aus weiter Ferne drang Erics Stimme an ihr Ohr. Verdutzt hob sie den Kopf. Eben noch hatte sie sich auf der Strohschütte in der Scheune gewähnt, in der sie die letzte Nacht verbracht hatte. Dichte Nebelschwaden behinderten ihren Blick. Kaum konnte sie die Umrisse seiner hochgewachsenen Gestalt von dem dichten Laubwald dahinter unterscheiden. Als sie sich von ihrem Platz erheben wollte, versagten ihr die Beine. In ihrem Kopf drehte sich alles. Schon knickten ihr die Knie ein, und sie fiel nach vorn. Schimpfend fing Eric sie auf, half ihr, sich wieder aufzurichten, und führte sie zum Karren zurück.
    Fast hatten sie den Wagen erreicht, da erstarrten die anderen Männer abrupt. Die Pferde stellten die Ohren

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