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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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allmählich in einen Nadelwald über. Damit änderte sich auch die Beschaffenheit des Bodens. Die Räder versanken leichter in der aufgeweichten Erde. Den fünf Männern gelang es jedoch immer wieder, das Fuhrwerk nebst vollständiger Fracht aus dem Morast zu ziehen.
    »Ich habe euch gewarnt: Auf dem Weg oben wäre es leichter gewesen. Da wären wir nie im Schlamm hängengeblieben. Der Boden ist dort fester, und die Wege sind nicht so ausgefahren«, wiederholte der Fuhrmann jedes Mal aufs Neue. Darauf gaben die anderen Männer lange keine Antwort, bis einer der Reiter schließlich empört aufbrauste: »Dafür wären wir da oben ganz sicher den Männern von Ruckhaber in die Hände gefallen. Du weißt genau, dass sie nicht weit von hier ihr Quartier haben. Oder steckst du mit denen etwa unter einer Decke? Was zahlen sie dir dafür, dass wir ihnen in die Falle gehen?« Er stürzte sich auf den Fuhrmann, packte ihn am Revers und sah ihn wütend an.
    »Lasst das, Ihr wisst doch, dass er nichts mit Ruckhaber zu tun hat.« Eric riss den Reiter vom Fuhrmann weg. »Ganz zu schweigen davon, dass Ruckhaber es niemals wagen würde, uns zu überfallen! Also, lasst uns weitergehen, damit wir wirklich bei Anbruch der Dunkelheit da sind.« Der Reiter warf Eric einen zweifelnden, dem Fuhrmann einen regelrecht drohenden Blick zu. Dann erst bestieg er sein Pferd. Die anderen hatte die Auseinandersetzung schweigend verfolgt. Auch danach nahmen sie ihre Gespräche nicht mehr auf.
    Elsbeth hatte den Eindruck, dass der Streit über diesen Ruckhaber nicht zum ersten Mal aufgekommen war. Sie wunderte sich jedoch nicht lange darüber. Ohnehin fiel es ihr immer schwerer, die Ereignisse um sich herum noch wahrzunehmen oder gar einzuordnen. Kaum konnte sie noch die Kleine halten, die bald wieder munter auf ihren Knien und zwischen den Kisten turnte. Schließlich erbarmte sich einer der beiden Reiter, kam heran, schnappte sich Carlotta und setzte sie vor sich aufs Pferd, was sie mit quietschender Begeisterung geschehen ließ.
    »Haltet Ihr das für eine gute Idee?« Besorgt äugte Eric auf das seltsame Paar so weit oberhalb der sicheren Erde.
    »Was kümmert es Euch? Es ist doch nicht Euer Kind, sondern nur das Eurer Magd«, entgegnete der Reiter und gab dem Pferd die Sporen, um zu Carlottas Freude vorauszugaloppieren. Hilflos blieb Eric zurück. Als das Pferd sich abrupt zwischen den Bäumen aufbäumte, schließlich in weitem Satz über den nahen Bach sprang und drüben so ungestüm kehrtmachte, dass die nassen Erdklumpen aufstoben, setzte Elsbeth vor Schreck der Herzschlag aus. Das ist der Fieberwahn, beruhigte sie sich und bildete sich ein, die Hände der Kleinen immer noch fest um ihren Hals zu spüren. Ein Schrei riss sie unsanft aus dieser Traumvorstellung. Gerade noch sah sie, wie das Pferd abermals scheute und in die Höhe stieg. Fast wäre der Reiter dabei mit dem Kopf gegen den Ausläufer eines Baumes geschlagen. Eric musste laut geschrien haben. Schon stürzte er über Stock und Stein, um den beiden zu Hilfe zu eilen. Es kostete Elsbeth alle Kraft, ihm nachzusehen und das Geschehen genau zu verfolgen. Zum Glück waren der Reiter und Carlotta im Sattel geblieben, das Pferd beruhigte sich wieder.
    »Hört auf mit dem Unsinn, bevor es ein Unglück gibt«, befahl Eric und streckte die Hände dem Reiter entgegen, um das Kind wieder in Empfang zu nehmen.
    »Man könnte glatt meinen, es sei doch Euer Kind«, erwiderte der Reiter und warf ihm einen fragenden Blick zu. Carlotta zappelte wild und weinte, als Eric sie zum Karren zurücktrug. Sein Gesicht war tiefrot, ob vor Wut oder Scham, wusste niemand zu sagen. Ohne ein weiteres Wort reichte er die Kleine wieder an Elsbeth, die viel zu erschöpft war, um sich um das Kind zu kümmern, doch auch zum Aufbegehren gegen Eric fehlte ihr die Kraft. Also ließ sie es einfach geschehen. Bald fand Carlotta eine andere Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben. Sie spielte mit einem Seil, dessen Enden zwischen den Kisten hervorlugte. Etwas knirschte und ruckte. Elsbeth war nicht imstande nachzusehen, was es war. Mochte die Fracht über ihr zusammenbrechen, sie konnte keinen Finger mehr heben. Die anderen merkten nichts davon.
    14
    Der Abend dämmerte, als das Fuhrwerk endlich aus dem Dickicht des Waldes holperte. Aus dem Dunst abziehender Regenwolken schälte sich die Silhouette Rothenburgs heraus. Müde schob sich Elsbeth in die Aufrechte. Mehrmals war sie in den letzten Jahren mit Magdalena und Meister

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