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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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abspielte. Sie konnte es kaum fassen: Rupprecht hatte sie tatsächlich wieder einmal gerettet! Ausgerechnet er, den sie zurückgewiesen und missachtet hatte, obwohl seine Mühen um ihre Gunst offensichtlich waren, tat sein Möglichstes, sie vor Schlimmem zu bewahren.
    »Woher soll er eine wie sie kennen?« Verächtlich wies der Hauptmann unterdessen mit dem Kinn in ihre Richtung, hob aber nicht den Blick, um sie anzusehen.
    »Schon lange kennt sie ihn.« Rupprecht ließ sich nicht verunsichern. Entschlossen stellte er sich vor den Schweden, kümmerte sich nicht darum, wie klein und zart er neben dem hochaufgeschossenen Blonden wirkte, wie grobschlächtig seine Gesichtszüge neben dem vornehmen Antlitz des Hauptmanns aussahen. Um zu erzählen, warum Eric seit der Hochzeit von Magdeburg im Tross der Kaiserlichen mitzog, obwohl dieser Zusammenstoß die Zerstörung der Stadt und die Vernichtung seiner gesamten Familie zur Folge gehabt hatte, brauchte Rupprecht nur wenige Sätze. Magdalena hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, so deutlich traten die schrecklichen Bilder aus der Vergangenheit vor ihr inneres Auge, und sie durchlebte die Schrecken von damals noch einmal, hörte das unaufhörliche Brennen und Knistern der Dachbalken, spürte die Hitze, den Gestank von brennendem Fleisch, hörte die verzweifelten Hilfeschreie – und entdeckte inmitten des Infernos die rettende Hand des rotblonden Jungen mit den tiefblauen Augen.
    »Seit damals ist er bei euch im Tross gewesen? Als Zimmermannsgeselle hat er gearbeitet?« Kopfschüttelnd hakte der Hauptmann mehrmals nach und bedeutete Rupprecht mit einem Nicken, dass er weitererzählen sollte.
    »Vor zwei Jahren, kurz nach der Schlacht bei Freiburg, ist Eric spurlos verschwunden«, beendete Rupprecht den Bericht. Dann senkte er die Stimme, als gäbe er ein gutgehütetes Geheimnis preis. »Er soll, so heißt es, von den Franzosen gefangen genommen worden sein. Magdalena blieb nur der Bernstein als Erinnerung an ihren einstigen Retter. Kein Wunder, dass sie so an dem kostbaren Stück hängt.«
    Einen Augenblick schwiegen alle. Langsam drang die Bedeutung von Rupprechts letzten Worten zu ihr durch. Da erst erfasste sie, dass er einen entscheidenden Teil der Geschichte ausgelassen hatte. Mit keiner Silbe hatte er erwähnt, dass Eric und sie in Freiburg ein Liebespaar gewesen waren und ein Kind miteinander hatten. Auch ihr abermaliges Zusammentreffen vor Amöneburg, die Umstände seiner Verhaftung durch Hagen Seume und die von ihr mit Meister Johanns tatkräftiger Unterstützung eingefädelte Flucht hatte er unterschlagen. In Rupprechts Erzählung klang es so, als handele es sich bei ihnen um Kindheitsfreunde, die das grausige Erlebnis in Magdeburg zusammengeführt und die Geschehnisse nach der Schlacht am Freiburger Slierberg getrennt hatte. Verblüfft sah sie ihn an. Er nahm das gar nicht wahr, sein Blick verharrte auf der nachdenklich gewordenen Miene des schwedischen Hauptmanns.
    Nach einem langen Schweigen legte der Hauptmann Rupprecht die Hand auf die Schulter und tätschelte sie sanft. Ein zufriedenes Lächeln umspielte seinen Mund. Der Blick, mit dem er den schwarzen Haarschopf Rupprechts betrachtete, schien fast zärtlich. Ein Kreis umschloss die Männer, zu dem sie als Frau keinen Zutritt erhielt. Eric schien der körperlich zwar abwesende, gedanklich dennoch gegenwärtige Mittelpunkt dieses Bündnisses zu sein. Abrupt schluchzte sie auf und presste sich die Faust in den Mund, um nicht laut loszuschreien. Auch Rupprecht wirkte berührt. Als wäre es ihm unangenehm, in ihrer Gegenwart von dem Schweden derart vertraut behandelt zu werden, sah er entschuldigend zu ihr. Ambrosius zuckte hilflos mit den Schultern.
    Plötzlich zog der Hauptmann die zweite Hand aus der Hosentasche. Etwas blitzte hell darin auf, ein leises Klacken verriet das Gegeneinanderschlagen zweier Gegenstände. Einen Moment traute Magdalena ihren Augen nicht. An Rupprechts und Ambrosius’ erstauntem Gesicht las sie ab, dass es ihnen nicht anders erging: Der Hauptmann hielt auf einmal zwei Bernsteine in der Hand! Geschickt ließ er die Schnüre, an denen sie befestigt waren, durch die schmalen, langen Finger gleiten. Wie zwei dicke Honigtropfen schwangen sie daran hin und her. Genüsslich ließ der Hauptmann sie durch die Luft surren, hielt sie aufreizend ins Fackellicht. Es war keine Täuschung: Die beiden Bernsteine ähnelten sich sehr, waren nahezu gleich groß, umhüllten beide ein in der

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