Die Wundärztin
auf, der Ochse schnaubte bedrohlich. Elsbeth strengte sich an, die Ursache dieses Gebarens zu entdecken. »Runter!« Der Fuhrmann gab mit der rechten Hand ein Zeichen. Im selben Moment schon rollte er sich unter sein Gefährt. Die drei anderen Männer sprangen ins Gebüsch, Eric zog Elsbeth und das Kind hinter einen Busch. Carlotta presste er die Hand auf den Mund, damit sie nicht muckte. Fremde Reiter! Elsbeth wollte aufschreien und verschluckte sich. Das verräterische Husten zu unterdrücken nahm ihr den Atem. Die Hufschläge wurden lauter. Zitternd vor Angst, presste sie sich an Eric. Überraschenderweise ließ er sie gewähren. Sollten die Fremden sie entdecken, wäre sie als einzige Frau die Erste, auf die sie sich stürzen würden. Oft genug hatte sie erlebt, wie die alte Roswitha und Magdalena geschändete Frauen mit Kräutern und Tinkturen behandelt hatten. Geholfen hatte es selten. Meist waren sie den schlimmen Verletzungen und dem furchtbaren Schreck erlegen.
Endlich sprengten die Pferde heran. Es waren zwei Rappen. Das Wiehern der beiden Kaufmannsgäule neben dem verlassen auf dem Weg stehenden Fuhrwerk gaben sie mit einem Prusten zurück. Die Reiter bremsten jedoch nicht ab, sondern gaben ihren Pferden erst recht die Sporen. Im schnellen Galopp preschten sie vorbei. Als sie außer Sicht waren, krochen der Fuhrmann und die drei Kaufleute aus ihren Schlupflöchern. Eric richtete sich mit Carlotta auf dem Arm auf.
»Kundschafter!«, stellte der Fuhrmann fest und klopfte sich den Dreck aus dem Rock. »So eilig, wie die es haben, müssen sie vom Kurfürsten persönlich aus München fortgejagt worden sein. Wie man hört, hat der es auf einmal sehr eilig, mit den Franzmännern ins Gespräch zu kommen. Er hat wohl Angst, die wollen diesen Herbst auch noch zu ihm nach Bayern und saufen ihm das Bier weg wie schon die Schweden und die Unsrigen.«
Er lachte aus tiefster Kehle. Auch die drei anderen stimmten ein, erleichtert, dass sich der Vorfall so einfach erklären ließ. Dem Kampf mit Marodeuren hätte keiner von ihnen lange standgehalten. So gut es ging, säuberten sie ihre Kleidung und führten die Pferde zurück auf den Weg.
Elsbeth schwankte, kaum dass sie wieder aufrecht stand. Abermals verschleierte Nebel ihr die Sicht. Mühsam beherrscht ging sie Richtung Fuhrwerk und kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Einer der Männer hielt ihr etwas entgegen. Sie streckte die Hand danach aus und fasste ins Leere. Wieder wäre sie dabei fast gestürzt, wieder war es Eric, der sie rechtzeitig auffing. Doch kaum befand sie sich erneut in der Senkrechten, klatschten seine Handflächen auf ihre Wangen. Mit voller Wucht verpasste er ihr rechts und links eine Ohrfeige. Schmerz verspürte sie nicht, lediglich ein Brennen, wie sie dankbar bemerkte. Also träumte sie doch nicht, also waren sie längst weg aus der muffigen Scheune mit all den anderen Menschen, die dort übernachtet hatten, und auch die feindlichen Reiter waren kein Traum gewesen. »Bist du wirklich krank oder nur besoffen?«, hörte sie Eric fragen und brauchte eine Weile, bis sie begriff, dass er darauf tatsächlich eine Antwort erwartete.
»Weiß nicht«, murmelte sie mühsam.
»Wahrscheinlich ist es der Regen«, knurrte der Fuhrmann. »Sie hustet auch ziemlich.«
»Daran wird sie schon nicht krepieren«, meinte einer der anderen und verzog den zahnlosen Mund zu einem schiefen Grinsen. »Die schaut aus, als wäre sie Schlimmeres gewohnt.«
»Stimmt«, meinte einer der beiden Reiter und griff sich grinsend zwischen die Beine.
»Lasst uns weitergehen, sonst schaffen wir es nicht bis Rothenburg«, beendete Eric barsch das Gespräch und half Elsbeth auf den Wagen. Unerwartet fürsorglich bettete er sie zwischen zwei Kisten, zog sogar die dicke Plane über ihre Beine und stopfte sie an den Seiten fest. Einer der Männer setzte ihr die dreckverschmierte Carlotta auf den Schoß. Auch die Kleine hüllte Eric behutsam in einer Decke ein. Der Fuhrmann reichte Elsbeth den Branntweinschlauch. Mit Mühe gelang es ihr, ihn zu fassen und an den Mund zu führen. Drei gierige Schlucke wurden ihr gegönnt, bevor Eric den Schlauch von ihren Lippen riss. »Genug! Sonst kotzt du uns gleich wieder alles voll«, murrte er und sprang zu Boden.
Die Peitsche knallte, der Karren ruckte, der Ochse zog an. Carlotta kuschelte sich zufrieden an Elsbeth und steckte den schmutzstarrenden Daumen in den Mund. Die einigermaßen trockenen Decken sowie das warme Gefühl, das der
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