Die Wundärztin
Branntwein in Elsbeths Bauch hervorrief, sorgten für eine Besserung ihres Zustands. Die nächsten Stunden störte sie sich nicht einmal am strengen Geruch Carlottas. Auch die Übelkeit machte ihr nicht mehr zu schaffen. Sie legte den Kopf in den Nacken. Träge verfolgte sie die Wolken am Himmel. Noch führte der Weg am Waldrand entlang. Das letzte Grün der Baumspitzen ragte in die Wolkendecke. Bald klarte es auf, die Grautöne am Himmel wurden heller, gingen bald in schmutziges Weiß über. Irgendwann hörte auch der Nieselregen auf. Es tropfte nur noch von den Bäumen.
Elsbeth ertrug das stete Schaukeln des Wagens, und es gelang ihr, den gelegentlich noch aufsteigenden Würgereiz zu unterdrücken. Dafür schmerzten ihr mittlerweile sämtliche Glieder. Nach einiger Zeit wusste sie nicht mehr, wie sie sich setzen oder anlehnen sollte. Der ganze Körper tat entsetzlich weh, eine furchtbare Unruhe kam hinzu. Ähnliches hatte sie noch nie erlebt. Sogar die Kleine auf den Knien zu haben wurde ihr unerträglich. Sie versuchte, sie neben sich zu betten. Dagegen wehrte sie sich empört. Einmal schlug Carlotta sogar nach ihr und zerrte ihr an den Haaren. Also ließ sie es bleiben, biss die Zähne zusammen und behielt das Kind selbst unter Schmerzen weiter auf dem Schoß. Von dem, was die Männer um sie herum redeten, bekam sie kaum etwas mit. Tief grub sie sich in ihr unbequemes Lager ein.
Anscheinend näherten sie sich dem Versehrtenzug, in dem Eric Magdalena und Rupprecht vermutete. Reisende, die mit ihnen ihr Nachtquartier geteilt hatten, hatten behauptet, den Schweden noch weit vor Rothenburg begegnet zu sein. Wenn das der Wahrheit entsprach, waren die gut hundert schwedischen Soldaten nur wenige Stunden vor Eric und den Seinen aus der Nähe von Würzburg aufgebrochen. Dennoch behielten sie ihr bisheriges Tempo bei. Bis zum Anbruch der Nacht wollten sie die Gegend um Rothenburg erreichen. Kundschafter oder Reisende, vor denen sie sich in die Büsche schlagen mussten, begegneten ihnen keine mehr. Nicht einmal ein einsamer Wanderer oder Bauer kreuzte ihren Weg. Stattdessen passierten sie niedergebrannte Höfe und Scheunen, kamen durch menschenleere Dörfer und entdeckten eine verlassene Mühle in einer Talsenke. Seit Jahren war die Gegend Durchmarschstrecke für die Heere beider Lager. Und auch nachdem die Sonne die letzten Regenwolken verjagt hatte, wollte sich angesichts der verkohlten Ruinen und trostlosen Mauerreste die spätsommerliche Unbeschwertheit nicht mehr einstellen.
»Wir müssen besser achtgeben, wo die Schweden rasten«, warnte einer der Reiter plötzlich. »In den letzten Stunden sind wir zügig vorangekommen. Wenn wir nicht aufpassen, laufen wir ihnen direkt in die Arme.« Er gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte ein Stück den Weg voraus. Von der nächsten Anhöhe aus hielt er Ausschau in alle Richtungen, bevor er den anderen ein Zeichen gab zu folgen.
»An der Weggabelung dort vorn müssen wir nach rechts abbiegen. Da wird die Straße besser, auch wenn sie quer durch den Wald führt«, meinte der Fuhrmann später. Das verdächtige Knirschen auf der rechten Wagenseite beunruhigte ihn mehr als jede Warnung vor einer Begegnung mit den Schweden oder Räubern. In klaren Momenten beobachtete Elsbeth, wie er immer wieder die Hand hinter die Ohrmuschel legte und lauschte. Offensichtlich befürchtete er, die Achse könnte brechen oder eine Kiste vom Wagen kippen. Die anderen Männer schienen seine Angst vor einem Unfall auf schlechten Wegen nicht zu teilen, denn ohne zu zögern, schwenkten die beiden Reiter an besagter Kreuzung nach links, Eric und die anderen, die neben dem Ochsen gingen, folgten ihnen den langsam abfallenden Weg nach unten direkt zum Bachlauf. Nur der Fuhrmann bremste den Karren ab. Als keiner der Männer darauf reagierte, resignierte er. »Ich habe euch gewarnt!« Mit diesen Worten trieb er den schwankenden und knarrenden Ochsenkarren den anderen hinterher.
Nach einigen Windungen schwenkte der Weg vom Bachlauf weg in einen Wald. Ein dichtes Laubdach wölbte sich über ihnen. Die milde Nachmittagssonne brachte das Gelbgrün der Blätter zum Leuchten. Träge fielen einzelne, dicke Tropfen auf Elsbeths Gesicht, letzte Überreste der tagelangen Regenfälle. Irgendwann schlief Carlotta ein, auch Elsbeth fielen die Augen zu. Zwei-, dreimal noch hielten sie an, um den Wagen aus einem Schlammloch zu befreien. Jedes Mal erwachte Elsbeth aus ihren wirren Träumen. Der Laubwald ging
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