Die Wundärztin
Kopf. Gern hätte sie ihm ein Zeichen gegeben, sich vorzusehen. Doch fand sich keine Gelegenheit, ohnehin hätte er sie wohl kaum ernst genommen. An Rupprechts und Ambrosius’ Gesichtsausdruck las sie ab, dass auch sie Englunds Verhalten nicht begriffen. Ratlos postierten sich die beiden Männer dicht neben seinem Rappen, um die weiteren Worte besser zu verstehen.
»Lindström wird das Kommando übernehmen und euch nach Rothenburg führen.« Englunds Stimme klang fest und entschlossen. »Dort wartet ihr auf uns. Falls etwas schiefgeht, werdet ihr nach einer gewissen Zeit ohne uns bis Ansbach ziehen und dort auf die Unsrigen treffen. So ist es vereinbart. Ich bin mir allerdings sicher, dass es nicht so weit kommt. Bald schon werde ich bei euch in Rothenburg sein.« Er griff in die Zügel und wollte sein Pferd wenden, da stellte sich Ambrosius ihm beherzt in den Weg. »Heißt das, Ihr wollt allein mit Magdalena davonreiten? Ohne uns eine Nachricht zu geben, wohin Ihr geht und wann Ihr wieder auftaucht? Was habt Ihr vor? Weiß Lindström wenigstens Bescheid?«
Schlagartig wurde es still. Dass ausgerechnet der Mönch den Mut aufbrachte, dem Hauptmann entgegenzutreten, überraschte und beschämte die Soldaten zugleich. Magdalena vernahm ein leichtes Zischen in ihrem Nacken. Offenbar wurde Englund in diesem Moment erst bewusst, welch Ungeheuerlichkeit er sich gerade geleistet hatte. Doch statt sich zu besinnen und einzulenken, beging er eine weitere Ungeschicklichkeit. »Allein mit Magdalena werde ich natürlich nicht gehen«, erklärte er, als wäre ihm gerade erst aufgegangen, was er zu tun hatte. »Du und Rupprecht kommt ebenfalls mit. Kannst du reiten?« Damit wandte er sich bereits an Rupprecht, wartete jedoch nicht ab, was der erwiderte, sondern winkte einem der Musketiere zu. »He, du, bring dein Pferd. Es soll dein Schaden nicht sein.«
Über die Köpfe der verblüfften Soldaten warf er dem Mann einen Beutel mit Münzen zu. Geschickt fing ihn der Angesprochene mit einer Hand aus der Luft auf. Er öffnete ihn sogleich und begann, das Geld zu zählen. Brüsk stellte Englund klar: »Sei froh, dass ich so großzügig bin. Jetzt kannst du dir einen weitaus besseren Gaul besorgen. Wenn du aber nicht gleich hier vorn bei uns bist, nehme ich dir dein Pferd mitsamt dem Beutel eigenhändig ab. Dann gehst du bis Ansbach zu Fuß und kannst dich dort gleich zur Infanterie melden.«
Rupprecht und Ambrosius gaben ein seltsames Paar ab, als sie wenig später hintereinander auf dem breiten Rücken des Braunen saßen. Der dicke Mönch thronte wie ein Sack Mehl vorn am Widerrist. Der wendige Rupprecht hatte Mühe, ihn und das Pferd gleichermaßen in Zaum zu halten. Auch dem Pferd war die ungewohnte Last nicht geheuer. Zögernd setzte es einen Huf vor den anderen und weigerte sich zunächst, so zu parieren, wie Rupprecht wollte. Auf den Gesichtern der Soldaten spiegelte sich Spott.
»Auf geht’s! Lasst uns Quartiere für die Nacht suchen«, rief ein schwarzhaariger Mann plötzlich aus. Ohne sich weiter um Englund zu kümmern, hatte Lindström das Kommando übernommen, hob die Hand, gab seinem Schimmel die Sporen und ritt voraus, der Mainbrücke zu. Bereitwillig folgten die Männer ihm nach. Die Ochsen mit den Fuhrwerken setzten sich schwerfällig in Bewegung, dicht gefolgt von den Musketieren und den Infanteristen. Um die Männer nicht allzu dicht an sich vorbeimarschieren zu lassen, zog Englund ebenfalls die Zügel an und lenkte sein Pferd die Straße am linken Ufer weiter flussaufwärts. Magdalena spürte seinen Zorn über das Verhalten der Soldaten. Er schnaubte und atmete schnell, als hätte er eine große körperliche Anstrengung hinter sich. Mitgefühl empfand sie keines. Warum hatte er sich auch ohne Grund von seinen Leuten getrennt? Ihr schwante nichts Gutes, wenn sie daran dachte, wie schutzlos sie weiteren Gefahren ausgeliefert waren. Hoffentlich wusste Englund wenigstens, wohin er wollte und auf welchem Weg sie das Ziel am besten erreichten.
16
Zunächst mochte Magdalena nicht glauben, welchen Ort sie auf ihrem seltsamen Marsch mainaufwärts anpeilten: Königsberg nahe Haßfurt in Franken! Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Eric und Elsbeth mit Carlotta ausgerechnet dort untergeschlüpft waren. Gerade weil Ambrosius ihr verraten hatte, dass Eric sich in den letzten Monaten oft in der fränkischen Stadt aufgehalten hatte, würde er den Teufel tun und ausgerechnet auf der Flucht dorthin zurückkehren. Sollte ihn
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