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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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zu tief. Ungern nur gestand er sich ein, dass sie Eric im Lauf der Jahre besser kennengelernt hatte als er. »Viel werdet ihr beide nach Magdeburg nicht mehr miteinander zu tun gehabt haben. Deine Eltern werden schon darauf geachtet haben, dass du dich nicht mit einem Gottlosen wie ihm abgibst. Außerdem ist so ein Tross riesig. Ein Zimmermann und eine angehende Wundärztin müssen sich nicht unbedingt viel über den Weg laufen.«
    »Wenn es Euch besser damit geht«, stimmte sie betont beiläufig zu, »dann belasst es dabei. Die ersten Jahre nach Magdeburg haben wir uns wirklich ein wenig aus den Augen verloren.« Sein Aufatmen war nicht zu überhören. Sie gönnte ihm die kleine Verschnaufpause. Im Gegensatz zu ihm wusste sie, wie die Geschichte weiterging. Ihretwegen brauchten sie nicht mehr weiterzureden. Gerade die Existenz ihres gemeinsamen Kindes wollte sie ihm verschweigen. Ein untrügliches Gefühl in ihrem Bauch verriet ihr, dass er das am wenigsten ertragen würde.
    Englund aber war nicht dumm. Mit dem, was sie erzählt hatte, gab er sich nicht zufrieden. »Was war in Freiburg? Wieso hat Rupprecht ausgerechnet die Zeit in Freiburg, kurz bevor Eric von den Franzosen verschleppt wurde, so betont? Ist da etwas Besonderes zwischen euch vorgefallen? Hat Eric sich verletzt, brauchte er deine Hilfe als Wundärztin? Was hast du mit ihm angestellt?«
    »Wollt Ihr mir etwa schon wieder unterstellen, jemanden verhext zu haben? Ihr könnt es wohl einfach nicht fassen, dass Eric und Jossip Euch beide verlassen haben. Statt die Schuld bei Euch selbst zu suchen, bezichtigt Ihr lieber mich der Hexerei!« So deutlich hatte sie das gar nicht sagen wollen. Zu sehr quälte sie sich selbst mit der Erinnerung an den verzweifelten jungen Kroaten. Der Duft seiner Haut, die Wärme seines Atems, der traurige Blick seiner Augen würden sie nie loslassen.
    »Lass Jossip aus dem Spiel«, zischte der Hauptmann und gab dem Pferd zum dritten Mal an diesem Tag wütend die Sporen. Es vollführte einen großen Satz und galoppierte los. Viel fehlte nicht, und sie wäre hinuntergefallen. Im letzten Moment hielt Englund sie fest. Unwillkürlich tastete sie nach dem Bernstein. Vergebens. Plötzlich stand ihr vor Augen, wie Englund den Stein betrachtete und an die Lippen hob. Im selben Augenblick schüttelte es sie vor Widerwillen.
    Die Nacht legte sich wie eine Decke über das Maintal. Im Mondlicht wurde der Flusslauf zu einem silbern glitzernden Band. Die Bäume verwandelten sich in riesige, dunkle Ungeheuer. Jeder Luftzug änderte ihre Gestalt, begleitet von einem geheimnisvollen Rascheln. Feuchtigkeit zog vom Waldsaum herüber. Über dem Main stieg Nebel auf. Das Hufgetrappel der Pferde klang dumpf, das Gezwitscher der Amseln, Drosseln, Kleiber und Meisen verstummte allmählich. Ein Käuzchen rief.
    Englund hob den Arm, um Rupprecht und Ambrosius zum Anhalten zu bewegen. Geschickt wendete er dabei einhändig sein Pferd, so dass Magdalena den beiden entgegensehen konnte. »Es wird Zeit, ans Nachtlager zu denken.«
    »Seid Ihr wahnsinnig? Wir können nicht einfach am Flussufer lagern. Wir sind nur drei Männer und eine Frau. Kaum erlischt unser Feuer, werden irgendwelche Halunken aus den Büschen kommen und uns massakrieren. Magdalena und die Reitpferde sind ein prächtiges Geschenk, das Ihr schon von weitem gut sichtbar anbietet.« Ambrosius bemühte sich gar nicht, seinen Ärger zurückzuhalten. Rupprecht schwieg. Offenbar hielt er es für überflüssig, ins gleiche Horn zu stoßen.
    »Für wie dumm hältst du mich?« Englund reagierte nicht weniger aufgebracht als der Mönch. »Natürlich werden wir nicht mitten auf dem Feld bleiben. Da können wir uns gleich gegenseitig die Kehlen durchschneiden. Doch lange hier herumzustehen und laut zu streiten wird uns auch nicht viel nützen. Steigt also lieber vom Pferd und folgt mir.« Er sprang ab, half Magdalena vom Ross und nahm die Zügel in die Hand.
    Zu ihrer Überraschung wandte er sich vom Mainufer ab und schlug sich ins Dickicht. Äste und Blätter schlugen ihnen entgegen, die Zweige knackten bei jedem Schritt. »Pst«, mahnte Englund sie mit dem Zeigefinger vor den Lippen. Bald schon hüllte vollkommene Dunkelheit sie ein. Es galt einen Hang hinaufzusteigen, der zwar nicht allzu steil, bei den schwierigen Lichtverhältnissen aber schlecht einzuschätzen war. Es dauerte, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten. Je höher sie kamen, desto mehr Licht fiel durch das Laub, auch wurden die

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