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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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jemand suchen, der seine Gewohnheiten kannte – und dazu zählte Hagen Seume –, wüsste er natürlich von seiner Vorliebe für diesen Ort. Zudem lag die Stadt im Haßgau entlang der Route, die die Kaiserlichen vom Spessart nach Franken bis Bamberg hinüber stets einschlugen. Also wäre es für Eric viel zu gefährlich, ebenfalls dorthin zu gehen, sosehr ihn auch die Aussicht locken mochte, dort alte Bekannte zu treffen. Wenn Magdalena ehrlich war, spielte bei diesen Überlegungen auch ihre Angst vor der Rückkehr nach Königsberg eine Rolle. Jedes Mal, wenn sie in den Haßgau kam, rissen alte Wunden aus Kindertagen auf. Unvorstellbar, Eric könnte sich dort sicher fühlen und ihr Kind dorthin bringen!
    Der in ihren Augen unmögliche Weg führte Magdalena an der Seite Englunds, Rupprechts und Ambrosius’ zunächst ein gutes Stück zurück nach Norden, in die entgegengesetzte Richtung, in die sie eigentlich ziehen sollten. Der Befehl für den Hauptmann hatte gelautet, so rasch wie möglich zu den schwedischen Truppen im Bayerischen zu stoßen. Also widersetzte sich Englund mit seiner Entscheidung sogar seinen direkten Befehlshabern. Ein riskantes Verhalten, noch dazu, da sich die Männer um Lindström mehr und mehr von ihm abwandten. Verrat wäre ein vernichtender Vorwurf, bei dem er in den Reihen seiner Leute kaum noch einen finden würde, der ihm beistünde.
    Das Erschütterndste an der ganzen Geschichte aber war, dass sie sich eingestehen musste, wie viel Englund an einem Wiedersehen mit seinem Vetter Eric lag. Dafür war er bereit, Land und Leute im Stich zu lassen! Wenn Englund absaß und sich unbeobachtet fühlte, zog er den Bernstein unter dem Hemd hervor und küsste ihn oder wog ihn versonnen in der Hand. Am liebsten hätte sie ihn dann wie eine Katze angesprungen und ihm den Schatz entrissen. Der Stein gehörte schließlich ihr. Eric hatte ihn ihr geschenkt, damals in Magdeburg, damit er sie fortan beschütze. Später in Freiburg und kürzlich erst in Amöneburg hatte er das noch einmal bekräftigt. Umso mehr schmerzte es sie zu sehen, wie innig Englund den Stein herzte. Fast hatte sie den Eindruck, er tat das, um sie herauszufordern.
    »Woher kennst du Eric Grohnert wirklich?«, wollte er beim Weiterreiten schließlich von ihr wissen. Rupprecht und Ambrosius ritten auf ihrem unwilligen Pferd ein Stück hinter ihnen, weit genug entfernt, um nichts von ihrem Gespräch zu hören, dennoch so nah, dass sie sie nicht aus den Augen verloren. »Das mit Magdeburg ist doch eine durchsichtige Lüge«, schob er nach, als sie nicht sofort antwortete.
    »Wieso?« Sie wandte das Gesicht nach hinten und erhaschte einen Blick auf ihn. Er sah stur geradeaus, vermied jeden Augenkontakt. Sie wandte sich ebenfalls wieder um, bevor sie weitersprach: »Wenn Ihr es doch besser wisst, brauche ich Euch nichts sagen. Mich wundert nur, dass Ihr Rupprechts Erzählung also wider besseres Wissen für wahr genommen und mich im Kloster vor den anderen Männern bewahrt habt. Eigentlich wolltet Ihr mich doch als Hexe auf den Scheiterhaufen werfen.«
    »Wäre dir das lieber gewesen?«
    »Warum habt Ihr es nicht getan?« Abermals versuchte sie, durch einen Blick über die Schulter in seinem Gesicht zu lesen. Weiterhin zeigte sich seine Miene verschlossen, unwillig, auch nur einen Funken seines Innersten preiszugeben. »Habt Ihr Angst vor Erics Rache?« Erfreut bemerkte sie sein Entsetzen. Sie wandte sich so weit als möglich um und blickte ihn offen an. Unwirsch schnaubte das Pferd, auch Englund geriet durch ihre Bewegung vorübergehend aus dem Gleichgewicht. Dadurch war er gezwungen, sich im Sattel zurechtzurücken und die Zügel anders zu fassen. Eine Antwort blieb er ihr zunächst schuldig, und sie beschlich das ungute Gefühl, er könnte ihr etwas Unangenehmes über Eric erzählen.
    »Eric ist mein Vetter. Warum sollte ich ihn fürchten?«, sagte er schließlich lapidar und gab dem Pferd die Sporen, damit es antrabte. Dabei machte er keine Anstalten, sie festzuhalten. Sie musste sich nach vorn drehen und mit den Händen Halt in der Mähne des Rappen suchen.
    Bald aber hatte das Pferd genug. Zwei Reiter waren ihm zu schwer, um längere Zeit über den holprigen Weg zu traben. Englund ließ es geschehen, dass es wieder in Schritt zurückfiel. Magdalena nutzte die Gelegenheit, das Gespräch fortzusetzen. Trotz ihrer düsteren Vorahnung musste sie mehr über die Vorgeschichte herausfinden, steckte da doch auch ein Hinweis auf ihren Vater

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