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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wieder zu ihr führen? Vielleicht kündeten schon bald die Vögel von ihrem Wiedersehen.
    Wie so oft tasteten ihre Finger nach dem Band um ihren Hals. Das aber geschah vergeblich. Ihr glühten die Ohren, als sie daran dachte, mit welchem Ausdruck im Gesicht der schwedische Hauptmann den Stein vor ihren Augen an die Lippen gehoben, geküsst und dann auf die nackte Brust unter seinem Hemd zu dem zweiten Stein gesteckt hatte. Seine Mundwinkel hatten dabei gezuckt, die Augen verräterisch geglänzt.
    Vorsichtig streckte sie den Rücken durch. Gern hätte sie die Lendenwirbel ein wenig massiert, doch das getraute sie sich nicht. Das stundenlange Reiten marterte sie nicht nur wegen ihres lädierten Unterleibs. Die Konstellation, in der es erfolgte, war äußerst unangenehm: Der Hauptmann hatte sie direkt vor sich aufs Pferd gesetzt. Dabei hatte er betont, dass sie das nicht als Misstrauen verstehen solle. Er glaubte nicht, dass sie noch Grund hatte, vor ihm zu fliehen. Ihren Bernstein, den er nun so offensichtlich trug, betrachtete er als ausreichende Gewähr, dass sie nicht weglaufen würde. Überhaupt waren der Stein wie die Tatsache, dass sie eine Freundin Erics war, Dreh- und Angelpunkt seines geänderten Verhaltens. Dass er sie fast seinen Männern zur Schändung überlassen hatte, bereitete ihm inzwischen sogar ein schlechtes Gewissen. Mehrmals schon hatte er sich dafür bei ihr entschuldigt. Dennoch blieb sie misstrauisch. Umso quälender empfand sie es, seine Gegenwart beim Reiten Stunde um Stunde körperlich zu spüren.
    Die Fouragewagen waren völlig überladen. Jede noch so lädierte Kiste, alles Geschirr, selbst zerbeulte Töpfe und vom Herdfeuer verkohlte Pfannen hatte Christian Englund, wie der Hauptmann sich am Morgen endlich mit Namen vorgestellt hatte, noch einpacken lassen. Nicht einmal auf die Mitnahme verschlissener Messgewänder und mottenzerfressener Mönchskutten, die man auf dem Speicher des Klosters in einem fast vergessenen Kasten aufgestöbert hatte, hatte er verzichtet. Infolgedessen fand keiner mehr auf den Fuhrwerken Platz. Die meisten Männer mussten zu Fuß gehen, nur wenige besaßen ein Pferd. Die Zugochsen mühten sich kräftig, die Gefährte über die morastigen Straßen entlang dem sich dahinschlängelnden Fluss zu ziehen. Mehr als einmal drohte einer der Wagen unter der Last zu kippen. Zum Glück waren die Soldaten des ehemaligen Versehrtenzugs inzwischen wieder kräftig genug, das durch ihre vereinte Muskelkraft zu verhindern. Ein Wunder, dass ihnen bislang keine Marodeure aufgelauert oder wütende Bauern sie überfallen hatten, um die hochbepackten Wagen zu plündern. Die vielen Kisten und Fässer mussten weithin von wahren Schätzen künden. Offenbar aber klirrten die Piken und Hellebarden der Soldaten bedrohlich genug, um Gesindel abzuschrecken.
    Rupprecht und Ambrosius hatten es vorgezogen, wie die anderen zu Fuß gehen. Im Tross war meist nichts anderes möglich, wie ihr Gefährte dem Mönch erklärt hatte. Auch Ambrosius war stundenlanges Marschieren gewohnt. Wie gern hätte Magdalena sich den beiden angeschlossen. Vor allem Rupprecht wäre sie gern näher gewesen, sie sehnte sich nach einem klärenden Gespräch mit ihm. Das aber hatte Englund zu verhindern gewusst, indem er sie wie selbstverständlich kurz vor Ertönen des Abmarschsignals auf seinen Rappen gehoben hatte. Im Verlauf des Ritts versuchte er geflissentlich, die Berührungen ihrer beider Körper aufs Unausweichlichste zu beschränken. Das geschah ganz in ihrem Sinn. Es war schlimm genug, unablässig seinen Atem im Nacken zu spüren und seine Arme nah um ihren Leib die Zügel halten zu sehen. Auch wenn weibliche Rundungen nicht das waren, was seine Lust erregte, wie der Auftritt im Kloster gezeigt hatte, blieb sie auf der Hut. Immerhin hatte er bewiesen, wie schnell er seine Meinung ändern konnte. Wer garantierte ihr also, dass er sie nicht doch wieder der Gier seiner Männer auslieferte? Als einzige Frau im Tross befand sie sich weiterhin in größter Gefahr.
    Mehrfach bildete sie sich ein, den Bernstein in ihrem Kreuz zu spüren. Der Blick, mit dem Englund den Stein aus Erics Hand geküsst hatte, fuhr ihr noch immer durch Mark und Bein. Das war mehr als nur die Liebe zum Vetter, die ihn zu dieser Geste bewog.
    Über diesen Gedanken waren sie näher an Ochsenfurt herangeritten. Schon tauchte auf einem Sockel am Brückenkopf die Steinfigur des heiligen Nepomuk auf. Der Weg weitete sich zu einem festgestampften

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