Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
Vorplatz. Hier mussten gemeinhin die Fuhrwerke und Reisende warten, bevor sie den Brückenzoll entrichteten und den Fluss zur Stadt hin überquerten. Bei ihrer Ankunft war der Platz leer. Der Bauer, den Magdalena vorhin von weitem beobachtet hatte, war längst in der Stadt verschwunden. Das Tor war geschlossen, zwei finster aussehende Wachen lugten aus einem Fenster des Wachturms. Auf dem Mauerkranz wurden weitere Soldaten sichtbar, die sie argwöhnisch betrachteten. Als sie die Farben auf den Armbinden erkannten, winkten sie ihnen schließlich zu, zum Zeichen, dass sie sie als die Ihren erkannt hatten. Englund gab ihnen ein Zeichen zurück, dann hieß er die ihm Nachfolgenden anzuhalten.
    Die Ochsen vor den hochbeladenen Fuhrwerken schnaubten, als die Männer, die sie führten, jäh in ihr Geschirr griffen und sie zum Stillstehen zwangen. Flüche wurden laut, weil es weder den Tieren noch den Männern passte, an Schwung zu verlieren. Einige Soldaten sprangen herbei, um das Auflaufen der Wagen aufzufangen. Manche gerieten ins Schlingern, andere wackelten gefährlich. Dank der vielen kräftigen Arme aber passierte nichts. Tief gruben sich die Stiefelabsätze der Soldaten in die weiche Erde. Mit hochroten Köpfen und schwer atmend schoben sie ihre Hüte zurück und betrachteten zufrieden ihr Werk. Der Hauptmann schenkte ihrer Leistung jedoch keine Beachtung.
    »Wir werden uns für eine Weile trennen«, verkündete er stattdessen laut in die Runde. Die Männer in den vorderen Reihen begannen zu murren, die hinteren schimpften, weil sie seine Worte nicht verstanden hatten. Nach und nach breitete sich die Kunde in den verschiedenen Sprachen unter ihnen aus.
    »Trennen – wieso das?«
    »Was ist überhaupt los?«
    »Ist das nicht zu gefährlich?«
    »Wer entscheidet darüber?«
    »Wer übernimmt das Kommando?«
    »Was heißt für eine Weile?«
    »Wir sind ohnehin schon zwei Tage zu spät dran.«
    »Genau! Längst hätten wir in Rothenburg sein sollen wie die anderen.«
    Alles andere als begeistert nahmen die Männer die Nachricht auf. Zu zweit, zu dritt begannen sie miteinander zu tuscheln, schüttelten die Köpfe, ruckten an ihren Waffen und versicherten sich mit einem Schlag auf die Schulter der Verbundenheit untereinander. Schon tauschten sich die Rotten auch miteinander aus. Niemand schenkte Englunds wachsender Ungeduld Beachtung.
    Englunds Ansehen im Trupp war geschwunden, wie auch diese Reaktion wieder bewies. Die Trennung zwischen Freund und Feind verwischte dabei immer mehr. Nicht nur Magdalena spürte das. Da war noch etwas anderes, was in den Augen der Soldaten, die in den vergangenen Kriegsjahren oft genug Seitenwechsel erlebt hatten, viel schwerer wog: Englunds unverhohlene Wut und Trauer um den Selbstmord seines kroatischen Burschen, der deutliche Ekel über das anzügliche Verhalten der Männer Magdalena gegenüber sowie das neuerliche Fraternisieren mit Rupprecht. Das alles war mehr als genug, um die meisten Männer argwöhnen zu lassen, mit dem einst so gefürchteten Hauptmann stimme etwas ganz Wesentliches, Männliches nicht. Ohnehin sah sich manch einer durch den barschen Abbruch von Magdalenas Schändung um ein langerhofftes Vergnügen gebracht. Dass Englund ihr selbst nicht als Erster Gewalt angetan und sie vor der versammelten Mannschaft ausgiebig gestoßen hatte, wie es einem richtigen Kerl anstand, hatte ihren Argwohn zusätzlich befeuert.
    Seit dem Aufbruch aus dem Kloster hatte sie schon mehrere böse Bemerkungen aufgefangen und die eigenartigen Blicke bemerkt, mit denen die Männer den Hauptmann bedachten. Sie anzurühren, hatte sich dagegen keiner der Soldaten mehr getraut. Es war, als umgebe sie ein unsichtbarer Schutzschild wie letztens im Kloster.
    Der Hauptmann gab vor, von dem allem nichts mitzubekommen. Dass die Männer ihre erbitterten Streitereien beim Würfeln und Kartenspielen vergessen hatten, selbst die versuchten und geglückten Betrügereien untereinander nicht mehr ansprachen und sich stattdessen geschlossen wie selten in einen Zug stellten, hätte ihn längst hellhörig machen müssen. Zu allem Überfluss erteilte er jetzt also auch noch einen unverständlichen Befehl, verkündete die vermeintlich sinnlose Entscheidung, den nicht eben starken Zug aufzuteilen. Das Einzige, was dadurch auf den ersten Blick erreicht wurde, war, dass sie alle unnötig gefährdet wurden. Zwei kleine Gruppen waren schwächer als eine große.
    Magdalena schüttelte über Englunds unkluges Vorgehen den

Weitere Kostenlose Bücher