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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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nie zuvor begegnet zu sein, doch allein die Nennung seines Namens hatte sie vertrauensselig auf den Vorschlag der gemeinsamen Weiterreise eingehen lassen. Dass sie auch noch das gleiche Ziel wie sie hatten, schien ihr zu viel des Zufalls. Rupprecht und Ambrosius indes reagierten nicht auf ihre Versuche, sie darauf aufmerksam zu machen. Also fügte sie sich schweigend in das Weitere, verhieß es doch auch wesentliche Erleichterungen: Fortan durfte sie auf einem der Fuhrwerke sitzen und wurde damit wenigstens von Englunds körperlicher Nähe erlöst.
    »Dass wir auf diese Leute treffen, war doch abgesprochen«, raunte sie Rupprecht zu, als sie bei einer Rast abseits von den anderen auf einem Baumstumpf saßen. Rupprechts Pferd graste auf einer kleinen Lichtung, die sich zum Mainufer hin öffnete. Ambrosius hatte es dorthin geführt, froh, die schmerzenden Glieder ausstrecken und bewegen zu können. Englund stand mit seinem Rappen bei den Kaufleuten und unterhielt sich angeregt mit ihnen. Die Wachen waren im nahen Dickicht verschwunden, um auszukundschaften, ob sie sich auch weiterhin sicher fühlen konnten. Es war der Mittag des zweiten Tages, seitdem sie zu den Kaufleuten gestoßen waren. Trüb zogen die Wolken über den Himmel, ließen kaum wärmendes Sonnenlicht durch. Rechter Hand erstreckten sich die Flussauen des Mains, linker Hand wucherte Gebüsch, ging sanft in einen Laubwald über. An einer Hecke hingen Brombeeren. Hungrig pflückte Magdalena eine Handvoll. Sie schmeckten sauer und hatten viel zu wenig Fruchtfleisch. Noch vor der Zeit würden sie faul zu Boden fallen, weil ihnen die Sonne für die weitere Reife fehlte.
    Es regnete zwar nicht mehr, doch noch hing die Nässe der letzten Tage in den Bäumen. Immer wieder tropfte es auf sie herab. Der Umhang auf Magdalenas Schultern war klamm. Kaum konnte sie sich mehr erinnern, wie es war, in trockener Kleidung zu stecken. Die Nächte in den Unterkünften reichten nicht aus, die Stoffe zu trocknen. Sie rechnete damit, bald nicht nur unter einer heftigen Erkältung, sondern auch unter starken Gliederschmerzen zu leiden. Schon seit den unerfreulichen Stunden im Klosterverlies quälte sie nachts Husten, der Hals kratzte. Bislang hatte sie keine Gelegenheit gefunden, sich einen vorbeugenden Tee aus Veilchenblüten oder Nesselkraut sowie lindernde Einreibungen mit Muskatnussöl zuzubereiten. Entweder fehlte die Feuerstelle zum Erhitzen des Wassers, oder Englund wich nicht von ihrer Seite. Auch wenn sie bei ihm vor Nachstellungen oder ungebührlichem Grapschen sicher sein konnte, wagte sie nicht, sich in seiner Gegenwart zu entblößen oder gar einzuölen.
    Inzwischen hustete und schniefte er selbst. Kein Wunder, denn das Leder seiner Jacke war dunkel vor Nässe. Auch seine Stiefel wiesen deutliche Spuren von Feuchtigkeit auf. Der Stoff seiner Hosen klebte an den Schenkeln. Und so schreckte sie die Furcht zusätzlich ab, er könnte ebenfalls auf Behandlung der Beschwerden bestehen. Seinen nackten Körper wollte sie keinesfalls vor sich sehen, geschweige denn seine Haut berühren. Also kaute sie auf einem Stück Ingwer, das sie gegen einen viel zu hohen Preis bei der Wirtin ihres letzten Nachtquartiers erstanden hatte, und hoffte, es reichte aus, die Halsschmerzen zumindest vorübergehend zu lindern. Auch eine Handvoll schwarzer Pfefferkörner sowie ein paar Nelken hatte sie von der Frau erworben. Zum Glück hatte sie rechtzeitig vor dem Aufbruch aus dem Kloster das Geld, das sie aus Hagen Seumes Truhe entwendet hatte, aus dem Versteck im Refektorium holen können. Jetzt, da sie sicher war, es Eric nicht mehr zurückgeben zu wollen, selbst wenn sie sich noch einmal begegnen sollten, erlaubte sie sich einige Ausgaben. Der Rest würde immer noch ausreichen, Carlotta anständig zu versorgen. Wenn sie überhaupt bei Eric in Königsberg steckte, durchfuhr es sie im selben Augenblick, und wenn wir sie dort wirklich aufspüren! Rasch schluckte sie die Tränen hinunter und besann sich darauf, mit Rupprecht zu sprechen. Gerade kam einer der bewaffneten Begleiter zurück. Als sie ihn entdeckte, machte ihr Herz einen Sprung. Über jenen hatte sie mit Rupprecht reden wollen! Aufgeregt rüttelte sie ihn am Arm. »Der mit dem prächtigen Fuchs dort vorn ähnelt einem der Kundschafter, die letztens im Kloster aufgetaucht sind. Erinnerst du dich? Unter der Linde haben sie sich lange mit dem Hauptmann beratschlagt.«
    »Was?« Rupprecht hielt mitten in seiner Bewegung inne. Als sie

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